Die meisten Filme von David Fincher gelten als potentielle Oscarkandidaten, sobald sie der Öffentlichkeit präsentiert werden, das ist auch bei seinem jüngsten Werk nicht anders. Doch 2020 ist nichts normal, und so ist Mank direkt bei Netflix gelandet, die ihn auch produziert haben. Ob es wohl für die eine oder andere Nominierung reicht, erfahren wir dann in ein paar Monaten …
Mank
Hollywoods Wunderkind Orson Welles (Tom Burke) bekommt von seinem Studio RKO völlig freie Hand bei der Wahl seiner Stoffe und der Inszenierung der Filme. Er beauftragt daher 1940 Herman „Mank“ Mankiewicz (Gary Oldman) mit der Arbeit an dem Drehbuch, das später den Titel Citizen Kane erhält. Da Mank ein gebrochenes Bein hat, muss er die meiste Zeit liegen und zieht sich zum Schreiben auf eine abgelegene Ranch in der Wüste zurück, wo er seiner Sekretärin Rita (Lily Collins) seine Ideen diktiert. Inspiration für seine Geschichte findet Mank vor allem in seiner früheren Bekanntschaft mit dem Zeitungs-Tycoon William R. Hearst (Charles Dance) und dessen Geliebten Marion Davies (Amanda Seyfried), die beide nicht sehr erfreut sind, von Mank bloßgestellt zu werden …
Die Arbeit an einem Drehbuch ist ein langwieriger und wenig spannender Prozess, der in seiner Darstellung nicht gerade filmtauglich ist. Noch dazu, wenn der Autor mit einem Gipsbein im Bett liegt. Dass Mank dennoch keine Sekunde langweilig ist, liegt zum einen an der großartigen Besetzung und den pfiffigen Dialogen, zum anderen an den vielen Rückblenden, in denen die Beziehung zwischen Mank und Hearst dargestellt wird. Jack Fincher wandelt in seinem Drehbuch damit auf den Spuren von Citizen Kane, der ebenfalls in verschachtelten Rückblenden erzählt wird, ein Kunstgriff, der sich zudem seit einigen Jahren in Hollywood großer Beliebtheit erfreut.
Auch sonst gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Geschichten. Orson Welles behauptete, die Grundidee zu seinem Film stamme aus seiner Jugend und habe ihren Ursprung in einem Theaterstück, das er verfasst hat. Das Drehbuch zu Mank wiederum hat der Vater des Meisterregisseurs David Fincher verfasst, der bereits 2003 verstarb. Seit dieser Zeit verfolgt sein Sohn das Ziel, es zu verfilmen. So gesehen, sind beide Projekte langjährige Herzensprojekte. Allerdings zeichnet Mank ein etwas anderes Bild von der Urheberschaft des Welles-Klassikers, die sie vornehmlich Mankiewicz zuschreibt. Fincher folgt damit einer, inzwischen widerlegten, Behauptung aus den frühen Siebzigern, und zeichnet ein Bild des einsamen Genies, das in relativ kurzer Zeit ein Meisterwerk schafft. Natürlich will es das Klischee, dass Genies auch zerrissene Figuren sind, wozu Manks schwerer Alkoholismus perfekt passt.
Filme über das Filmgeschäft haben es erfahrungsgemäß beim Publikum nicht besonders leicht, was möglicherweise damit zusammenhängt, dass niemand wissen will, wie der Zauber eigentlich funktioniert. In diesem Fall geht es jedoch nur in zweiter Linie um Hollywood, und um diesen Aspekt so unterhaltsam wie möglich zu gestalten, werden jede Menge hübscher Anekdoten und noch mehr saftiger Klatsch verarbeitet.
Das macht vor allem die erste Hälfte des Films zu einem ungeheuer großen Vergnügen. Besonders Mank ist ein witziger und schlagfertiger, allerdings auch reichlich zynischer Erzähler, der uns mit dem alten Hollywood bekannt macht und dabei auch ein Schlaglicht auf die Schattenseiten einflussreicher Produzenten wie David O. Selznick (Toby Leonard Moore) oder Louis B. Mayer (Arliss Howard) wirft.
Die Geschichte handelt im Kern jedoch von der Beziehung zwischen Mank und Hearst, die sich Anfang der Dreißigerjahre kennenlernen. Bald gehört Mank zu den Stammgästen im Hearst Castle, und so bekommt er aus erster Hand mit, wie Hearst sich in die US-Politik einmischt. Als der Schriftsteller und Sozialkritiker Upton Sinclair 1934 für den Posten des Gouverneurs kandidiert, setzen Hearst und Louis B. Mayer die kreative Kraft von MGM ein, um Sinclairs republikanischen Herausforderer zu unterstützen. Stellenweise erinnern die eingesetzten Methoden an unsere Gegenwart und die lancierten Fake News in den sozialen Medien. Damit zieht Fincher eine interessante Parallele zur Gegenwart.
Leider fällt die Geschichte in der zweiten Hälfte des Films etwas ab. Das Tempo verlangsamt sich, der Witz weicht zunehmend ernsteren Tönen, und im letzten Drittel tritt die Handlung schließlich auf der Stelle. Die große Abrechnung zwischen Mank und Hearst, passend vor dem Hintergrund eines Kostümballs, der aus dem Drehbuch zu Citizen Kane entfernt wurde, hätte es streng genommen nicht gebraucht, liefert aber noch einmal einen Anlass Oldmans großartige Performance in Szene zu setzen.
Citizen Kane ist eine bitterböse Abrechnung mit dem amerikanischen Traum und entlarvt die vielfach bewunderten mächtigen Männer als zutiefst bösartige, letzten Endes aber auch gebrochene Menschen. Mank ist eine Sammlung von Hollywood-Anekdoten und ein Hohelied auf die Macht des Wortes. Fincher orientiert sich in seiner Inszenierung stark an Welles’ Meisterwerk, und vor allem die großartige Schwarz-Weiß-Kamera von Erik Messerschmidt macht viel vom Reiz des Films aus.
Leider wird Hearsts Reaktion auf das Drehbuch nur angedeutet, denn der Zeitungsmagnat hat alles unternommen, um Citizen Kane zu verhindern oder wenigstens zu einem Flop zu machen. Ersteres hat er nicht geschafft, letzteres dagegen schon. Nach einer Schmutzkampagne wurde der Film nicht der erhoffte Erfolg. Für Orson Welles war der Film der einsame Höhepunkt seiner Karriere, denn kein späteres Werk hat je wieder diese Brillanz erreicht. Robert Wise, der Cutter von Citizen Kane, sagte dazu, Welles habe mit Citizen Kane einen autobiografischen Film gedreht, ohne es zu merken. Fincher wird das sicherlich nicht passieren …
Note: 2-