Mortal Engines – Krieg der Städte

Disney hat sich bereits vor Jahren der alleinigen Herstellung von Tentpole-Produktionen verschrieben, und um das finanzielle Risiko zu minimieren, setzt man dabei natürlich vor allem auf Franchises. Auch die anderen Studios sind immer auf der Suche nach geeignetem Material in der Belletristik oder der Gamingbranche, aus dem sich eine langlebige Reihe formen lässt. So baut man Marken auf, die sich hervorragend bewirtschaften lassen.

In den letzten Jahren hat es aber auch einige vergebliche Versuche gegeben, neue Franchises zu etablieren: John Carter: Zwischen zwei Welten sollte eine Fantasy-Science-Fiction-Reihe nach den bekannten Roman-Klassikern werden, erfüllte aber ebenso wenig die Erwartungen wie Valerian – Die Stadt der tausend Planeten oder Lone Ranger. In diesen Fällen kämpften die Filme vor allem gegen ein angestaubtes Image, was damit zu tun hatte, dass ihre Vorlagen bereits jahrzehntelang für andere Produktionen ausgeschlachtet worden waren und sie – obwohl Vorreiter in ihren Genres – auf diese Weise wie Nachzügler wirkten. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben …

Bei Mortal Engines – Krieg der Städte sieht es ein wenig anders aus. Die Vorlage von Philip Reeves erschien erst vor rund zwanzig Jahren und war außergewöhnlich erfolgreich. Mit Peter Jackson gab es einen versierten Produzenten, und auch das Material sah nicht schlecht aus. Dennoch erreichte der Film bei uns nur 429.000 Besucher – für einen Blockbuster definitiv zu wenig, was zu der Frage führt: Was ist hier schiefgelaufen? Liegt es tatsächlich nur an der Umsetzung? Oder spielen noch anderen Faktoren eine Rolle? Der Film ist bei Prime Video zu sehen, und so habe ich einen Blick riskiert.

Mortal Engines – Krieg der Städte

In einer fernen Zukunft: Nach einem gewaltigen Krieg, der innerhalb einer Stunde die menschliche Zivilisation vernichtet hat, gibt es nur noch wenige Ressourcen auf der Erde. Die Menschen leben in fahrenden Städten, die gegeneinander Krieg führen, um sich gegenseitig die verbliebenen Vorräte streitig zu machen. Als London eine kleine Stadt aufbringt und zerstört, gehört zu den Bewohnern, die übernommen werden, die junge Hester (Hera Hilmar), die mit einem roten Schal eine auffällige Narbe in ihrem Gesicht verbirgt.

In London lebt der Archäologe Tom (Robert Sheehan), der von der Technik der untergegangenen Zivilisation fasziniert ist und in den Ruinen der aufgebrachten Städte nach Fundstücken sucht. Dabei trifft er auf den Chef-Archäologen Thaddeus Valentine (Hugo Weaving). Ausgerechnet auf ihn hat es Hester abgesehen, doch Tom kann den Anschlag verhindern, erfährt dabei jedoch ein Geheimnis über Valentine, was diesen veranlasst, den jungen Mann zu beseitigen …

Wenn man genauer darüber nachdenkt, ist das Setting der Geschichte ziemlich obskur. Die Idee, Städte auf Rädern zu montieren und sich gegenseitig bekämpfen zu lassen, erscheint zwar auf den ersten Blick cool, macht aber ökonomisch betrachtet, keinerlei Sinn. Es ist jedenfalls schwer vorstellbar, dass der Gewinn an Ressourcen den Aufwand an Energie wettmacht. Aber so sieht sie nun mal aus, die neue Welt.

Viel bekommt man vom titelgebenden Krieg der Städte ohnehin nicht mit, denn abgesehen von der beschriebenen Übernahme einer kleinen Siedlung zu Beginn des Films, die man unzählige Male im Trailer gesehen hat, dreht sich die Geschichte vielmehr um Hester und Tom, die Valentines Intrige auf die Schliche kommen und einen Krieg viel größeren Ausmaßes verhindern müssen.

In der Tat ist diese Story viel interessanter und vielschichtiger als der Hahnenkampf zwischen Metropolen. Auch die beschriebene Welt der fahrenden Städte ist um einiges größer und reicher, als man auf den ersten Blick vermutet. Was zum eigentlichen Problem des Films und seinem Misserfolg führt: Der Trailer hat ein falsches Bild vermittelt.

Wer wie ich eine konventionell anmutende Rachegeschichte auf einer fahrenden Stadt vermutet, wird nach dem ersten Drittel überrascht sein, wenn die beiden Hauptfiguren auf sich allein gestellt versuchen müssen, in einer feindseligen Welt zu überleben. Dabei müssen sie gegen skrupellose Plünderer und Sklavenhändler kämpfen, vor einem Roboter-Zombie fliehen und schließlich eine Zivilisation vor dem Untergang retten. Das Steampunk-Setting trägt überdies zur Atmosphäre der Geschichte bei und unterstreicht den eigenwilligen Charakter. Schade, dass von all dem nichts im Trailer zu sehen war.

Sicher, der Film ist nicht perfekt. Die Story ist konventionell konstruiert und lässt erkennen, dass die Vorlage für ein kindliches Publikum geschrieben wurde. Auch die beiden Hauptdarsteller sind weder attraktiv noch charismatisch genug, um einen zu fesseln, und die Romanze, die ihnen angedichtet wird, funktioniert zu keiner Sekunde. Aber wenn man sich auf den Film einlässt und das erste, etwas langatmige Drittel überstanden hat, wird man mit einer fantasievollen, temporeichen Story belohnt, die vor allem zum Ende hin viel Spaß macht.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.