Seit es Netflix und Prime Video gibt, schaue ich fast nichts mehr im frei empfangbaren Fernsehen. Die privaten Sender zeigen für meinen Geschmack viel zu viel Werbung und neigen seit langem dazu, Serien mangels Quote schnell wieder einzustellen und die Zuschauer im Regen stehen zu lassen. Da ist man bei den Streamern besser aufgehoben. Und die Öffentlich-Rechtlichen? Ein Trauerspiel …
Die einzigen Sender, die ich gelegentlich einschalte, sind ZDF Neo und Arte. Bei letzterem lief neulich ein Klassiker, den ich noch nicht kannte, weshalb ich die Gelegenheit ergriff – und ihn zu einem späteren, mir genehmeren Zeitpunkt in der Mediathek ansah. Feste Sendezeiten sind ja so 20. Jahrhundert …
Dead Zone – Der Attentäter
Johnny Smith (Christopher Walken) ist ein junger Lehrer in der Kleinstadt Castle Rock. Nach einem Ausflug mit seiner Verlobten Sarah (Brooke Adams) wird Johnny bei einem schweren Autounfall am Kopf verletzt und fällt für fünf Jahre ins Koma. Als er wieder erwacht, ist Sarah mit einem anderen Mann verheiratet, Mutter eines Kleinkinds, und Johnny besitzt plötzlich das Zweite Gesicht. Sobald er jemandem die Hand gibt, erfährt er Dinge über dessen Vergangenheit oder Zukunft, die allen anderen verborgen bleiben. Mit seiner Gabe rettet er ein Kind vor dem Feuertod und bringt mit Sheriff Bannerman (Tom Skerritt) einen Serienmörder zur Strecke. Doch als er dem Politiker Stillson (Martin Sheen) die Hand schüttelt, sieht er etwas Schreckliches vorher …
Die Vorlage stammt von Stephen King und ist der Auftakt seines sogenannten Castle-Rock-Zyklus’, dessen Romane vereinzelte gemeinsame Schnittstellen in Figuren und Orten haben. Inszeniert wurde der Film von David Cronenberg, der zu diesem Zeitpunkt bereits den Experimentalfilm weitgehend hinter sich gelassen und sich dafür dem Horrorgenre zugewandt hatte. Der Film, den er als nächstes umsetzte, war der Klassiker Die Fliege.
Mit Johnny Smith hat King einen durchschnittlichen Helden geschaffen, Spross einer streng religiösen Familie, etwas bieder und konservativ, aber vollkommen durchschnittlich. Warum ausgerechnet er mit der Gabe (er bezeichnet sie eher als Fluch) gesegnet ist, stellt ein Rätsel dar, dass nie gelöst wird. Es spielt auch keine Rolle.
In der Geschichte geht es um die Frage, was man tun sollte, wenn man um die nahe Zukunft eines Menschen weiß. Hat man die moralische Pflicht, einzugreifen und sein Leben zu ändern? Oder sollte man lieber das Schicksal walten lassen? Für Johnny ist das nicht so einfach zu beantworten, denn als der gute Kerl, der er nun mal ist, möchte er den Menschen helfen. Doch er hasst auch den Rummel, der dadurch entsteht, und die Verantwortung, die man ihm überträgt. Außerdem scheint, das wird zumindest angedeutet, seine Gabe gewisse Nebenwirkungen zu haben.
Die Geschichte besitzt einen starken episodischen Charakter. Es gibt mehrere „Fälle“, mit denen Johnny konfrontiert wird und von denen die Suche nach dem Serienkiller sicherlich der interessanteste ist. Deshalb wundert es nicht, dass es zwischen 2002 und 2007 eine gleichnamige Fernsehserie gab, die Johnnys Geschichte noch einmal aufgriff und in der er Mordfälle löste.
Cronenbergs Version ist – verglichen mit anderen seiner Werke – relativ zahm und konventionell umgesetzt und orientiert sich stark an Kings Roman. Visuell gelingen ihm einige starke Szenen, zu denen vor allem das spannende Finale zählt, von dem die gesamte Geschichte lebt und an das man sich auch lange danach noch erinnern wird.
Alles in allem ein Film, der seinem Alter gemäß etwas langsam erzählt, aber gegen Ende immer besser wird. Ein Klassiker, den man kennen sollte.
Note: 3