Winchester – Das Haus der Verdammten

Halloween ist zwar vorüber, aber der nasse, dunkle Herbst ist dennoch prädestiniert für gemütliche Abende auf der Couch, zum Beispiel mit einem gruseligen Film. Sehr viel Auswahl an guten, gelungenen Filmen gibt es leider nicht, daher versuche ich, Projekte zu finden, die wenigstens einen interessanten Ansatz haben oder über eine tolle Besetzung verfügen. In diesem Fall war es Helen Mirren, die mich dazu verleitet hat, mir den Film anzusehen. Interessanterweise habe ich im Sommer die HBO-Miniserie über Katharine die Große angeschaut, in der ebenfalls Helen Mirren und Jason Clarke mitspielen – als Geliebte.

Winchester – Das Haus der Verdammten

Dr. Eric Price (Jason Clarke) ist ein angesehener Nervenarzt in San Francisco, der 1906 von einem Vertreter der Firma Winchester engagiert wird, ein Gutachten über Sarah Winchester (Helen Mirren) zu verfassen, das ihren Geisteszustand zum Thema hat. Die betagte Dame lebt mit ihrer Nichte Marion (Sarah Snook) und deren Sohn Henry (Finn Scicluna-O’Prey) in einem riesigen Anwesen, das sie rund um die Uhr umbauen lässt. Price erfährt bald, dass Sarah Winchester überzeugt ist, von den Geistern, die durch die Waffen ihrer Fabrik ums Leben gekommen sind, heimgesucht zu werden …

Sarah Winchester ist eine reale Person, Ehefrau von William Winchester, dem Erben des gleichnamigen Waffen-Imperiums, nach dessen Tod sie zu einer der reichsten Frauen ihrer Zeit wurde. 1884 kaufte sie ein Landhaus in San Jose und begann mit den umfangreichen Umbauarbeiten, die erst mit ihrem Tod 1922 zum Stillstand kamen. Vor dem großen Erdbeben von 1906, dem Zeitpunkt des Films, hatte das Haus bereits bis zu 600 Zimmer auf sieben Etagen, heute sind es rund 160 auf vier Stockwerken.

Über die Gründe für ihren Bauwahn wurde seinerzeit viel spekuliert, vor allem von der Boulevardpresse, die der Dame unterstellte, jede Nacht in einem anderen Zimmer zu schlafen, um den Geistern zu entkommen, und ihr Haus in ein Labyrinth verwandelt zu haben, um ihre übernatürlichen Verfolger in die Irre zu führen. Michael und Peter Spierig, die nicht nur Regie führten, sondern zusammen mit Tom Vaughan auch das Drehbuch schrieben, haben diese lokalen Legenden aufgegriffen und in ihre Geschichte eingebettet. Ihrer Idee nach versucht Sarah Winchester die ruhelosen Seelen zu beruhigen, indem sie die Orte ihres Ablebens im Haus rekonstruieren lässt. Auf diese Weise gelingt es ihnen, ewigen Frieden zu finden – ansonsten werden sie eingesperrt. Eine Art Geister-Therapie …

Auch Dr. Price ist nicht einfach nur ein rational denkender Arzt und Psychologe, sondern darüber hinaus ein Medium, das von seinen Kräften nichts wissen will. Da er für drei Minuten lang tot und auf der anderen Seite war, ist er befähigt, Geister zu sehen, ignoriert diese jedoch trotz lebhafter Erscheinungen, die für den einen oder anderen gelungenen jump scare sorgen. Einige Szenen sind tatsächlich so gruselig, wie man es sich von einem Film dieser Art nur wünschen kann, doch leider bilden sie die Ausnahme.

Dr. Price ist ein recht arroganter Mann, dessen schicksalsschwere Vergangenheit erst nach und nach ans Tageslicht kommt. Das macht es schwer, ihm in das Labyrinth des Hauses und in die Untiefen dieser recht mageren Geschichte zu folgen. Auch seine Sitzung mit Sarah Winchester tragen nicht unbedingt dazu bei, den Figuren näher zu kommen. Sie bleiben einem durchweg fremd.

Erst im letzten Drittel, wenn das Tempo spürbar anzieht und sich eine hartfeste Rachegeschichte herauskristallisiert, gewinnt der Film eindeutig an Unterhaltungswert.

Note: 3-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.