Auf der Suche nach einem Historien-Film bin ich vor einiger Zeit bei Netflix über Meine Cousine Rachel gestolpert und habe ihn auf meine Watchlist gesetzt. Den Stoff kannte ich bislang gar nicht, obwohl dies bereits die dritte Verfilmung des Romans von Daphne du Maurier ist. Die erste stammt von 1952 mit der kürzlich verstorbenen Olivia de Havilland in der Titelrolle und Richard Burton als Philip, der für diese Rolle einen Golden Globe als bester Nachwuchsdarsteller erhalten hat. Natürlich gibt es auch eine BBC-Serie zum Stoff und nun dieses Remake …
Meine Cousine Rachel
Philip Ashley (Sam Claflin) verliert bereits sehr früh seine Eltern und wird von seinem Cousin Ambrose erzogen, den er wie einen Vater liebt. Als Philip als junger Mann von seinen Studien nach Hause zurückkehrt, ist Ambrose krank und reist bald darauf nach Italien, um sich auszukurieren. Die Verwaltung des Gutes überlässt er Philip. In seinen Briefen berichtet Ambrose von ihrer gemeinsamen Cousine Rachel (Rachel Weisz), Witwe eines Italieners, in die er sich mit der Zeit verliebt. Doch schon bald nach der Hochzeit schreibt Ambrose, dass er krank ist – und verdächtigt seine Frau, ihn zu vergiften. Nach seinem Tod reist Philip nach Florenz und erfährt, dass Ambrose an einem Hirntumor starb. Rachel hat zu dem Zeitpunkt bereits alles verkauft und ist abgereist. Als sie einige Monate später in England auftaucht und ihn besucht, ist Philip nicht gewillt, sich mit ihr gutzustellen, doch Rachel ist charmant und bald ist er ihr genauso verfallen wie alle anderen Menschen, denen sie begegnet …
Daphne du Maurier ist für düstere, abgründige Geschichten berühmt, man denke nur an Rebecca, Wenn die Gondeln Trauer tragen oder Das Gasthaus Jamaika, allesamt auch bekannte Verfilmungen. Anders als in Rebecca, in dem eine junge, unschuldige Frau in ein düsteres Drama der Leidenschaften verstrickt wird, ist es in diesem Fall ein ebenso unschuldiger, geradezu jungenhafter Mann, der den Reizen einer rund zehn Jahre älteren Frau erliegt. Die Rollen sind quasi verkehrt, und das verleiht der Geschichte etwas Interessantes, zumal im historischen Kontext.
Im Grunde ist es eine Geschichte über Sex und Verführung. Dabei tritt Rachel nicht als sinnliche Femme fatale auf, sondern als freundliche, gütige Frau von großer Schönheit, deren einnehmendes Wesen ihr sofort die Herzen der Menschen zufliegen lässt. Doch Rachel hat auch dunkle Seiten, die man jedoch nicht zu Gesicht bekommt, sondern von denen man nur gerüchteweise hört. Sie ist verschwendungssüchtig, gibt Unmengen an Geld aus, das sie – möglicherweise – ins Ausland schickt. Und sie ist eine kräuterkundige Frau, die ständig Teemischungen zusammenstellt, um damit jedes Wehwehchen zu kurieren, was ihr augenblicklich den Nimbus einer Hexe verleiht. Gift ist schließlich die bevorzugte Waffe der Frauen.
Die Geschichte spielt gekonnt mit Genre- und Geschlechterklischees und unseren an Filmen und Romanen geschulten Erwartungen. Ist Rachel eine Mörderin, womöglich sogar eine Doppelmörderin? Oder ist sie lediglich eine Frau, die eine Menge Leid in ihrem Leben erfahren hat (neben zwei verstorbenen Ehemännern auch eine Fehlgeburt) und nun nach Frieden und Unabhängigkeit strebt? Rachel Weisz gelingt in ihrer Darstellung ein sehr feiner Balanceakt, der den Zuschauer immer wieder rätseln lässt über Rachels wahre Absichten. Wobei auch mehr oder weniger subtile Andeutungen über häusliche Gewalt eine Rolle spielen.
Leider reicht diese Ungewissheit, die nicht ohne Spannung ist, nicht aus, um den Film zu tragen. Dabei macht Regisseur und Drehbuchautor Roger Mitchell vieles richtig: Man sieht deutlich, wie in dem sehr männlichen, vernachlässigten Haus von Ambrose und Philip eine weiblich dominierte Atmosphäre entsteht, wenn Rachel nach und nach Besitz von Philips Leben und Denken ergreift. Es ist keine brutale Übernahme, sondern eine schleichende Sich-Aneignung, die sich bald auf alle Bereiche erstreckt. Und wie alle Diener, Haustiere und Nachbarn erliegt man auch als Zuschauer Rachels Charme.
Vielleicht ist das Grundproblem, dass der Film strikt aus Philips Sicht erzählt wird und damit aus dem Blickwinkel eines unreifen jungen Mannes, der sich zum ersten Mal wirklich verliebt. Sam Claflin macht seine Sache zwar nicht schlecht, ist aber zu alt und wirkt zu reif für die Rolle, um letzten Endes zu überzeugen. So beobachtet man über weite Strecken das liebeskranke Verhalten eines dummen Jungen, der einen Fehler nach dem anderen begeht – und an den man relativ bald das Interesse verliert.
Hitchcock hätte sicherlich mehr aus dem an sich faszinierenden Stoff gemacht, dessen Themen weibliche Selbstbestimmung und Selbstbehauptung aktueller denn je sind, der sich stattdessen aber lieber mit dümmlichem männlichem Verhalten auseinandersetzt. Der Film lohnt sich aber dennoch wegen seiner opulenten Ausstattung, der tollen Schauspieler und seinem dramatischen Ende.
Note: 3-