Es ist bald siebzehn Jahre her, seit Lost in Translation: Zwischen den Welten bei uns in die Kinos kam. Seither hat Sofia Coppola noch einige Filme gedreht, aber keiner davon hat uns je wieder so verzaubert wie ihr zweiter Langfilm. Nun hat sie einen Film am Start, der von der Tonalität her recht ähnlich ist, wieder spielt Bill Murray an der Seite einer jungen Frau (leider nicht Scarlett Johansson), und die Stadt, in der sie sich befinden, definiert die Atmosphäre. Im Kino lief er wegen Corona bei uns nur sehr kurze Zeit, aber dafür ist er nun bei Apple+ zu sehen.
On the Rocks
Laura (Rashida Jones) ist Schriftstellerin und Mutter. Mit der Arbeit an ihrem neuen Roman kommt sie nicht gut voran, denn der Alltag mit ihren beiden Kindern raubt sehr viel ihrer Zeit und beschneidet ihre Kreativität. Ihr Mann Dean (Marlon Wayans) ist ihr keine große Hilfe, denn er ist stark mit dem Aufbau seines neuen Unternehmens beschäftigt und jettet dafür um die Welt. Meistens in Begleitung seiner hübschen Assistentin Fiona (Jessica Henwick), und so wächst in Laura langsam die Eifersucht, genährt durch einige Kleinigkeiten, die für sich genommen bedeutungslos erscheinen, in der Summe aber den Verdacht nahelegen, dass Dean eine Affäre hat. Als ihr Vater Felix (Bill Murray), ein reicher Kunsthändler, in die Stadt kommt, bestärkt er ihre Vermutung – schließlich kennt der alternde Playboy die Männer und ihre Schwächen. Also beginnen Vater und Tochter, dem vermeintlich untreuen Ehemann nachzuspionieren.
Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht und Leiden schafft, sagt bekanntlich der Volksmund. Dabei handelt der Film nicht direkt von der zersetzenden Kraft der Eifersucht, sondern eher von der zermürbenden Unsicherheit, die einen Menschen befällt, der in einer Krise steckt. Laura ist unsicher, sie will eine Geschichte erzählen, steckt aber noch ganz am Anfang fest und weiß anscheinend nicht so recht, worüber sie schreiben soll. Während sie festsitzt und nur um sich selbst kreist, ist ihr Mann ständig unterwegs und überaus erfolgreich. Sie kann nur danebenstehen und zusehen, und bei einer Party mit Kollegen und Geschäftsfreunden wirkt sie sogar wie von einem fremden Planeten.
Gleich zu Anfang sehen wir Bilder von Lauras und Deans Hochzeit, wie sie sich davonschleichen, um heimlich miteinander zu schlafen. Doch nun, etliche Jahre und zwei Kinder später, ist die Leidenschaft verflogen, man lebt eher nebeneinanderher, manchmal sogar in verschiedenen Zeitzonen. Aber steckt ihre Ehe deshalb bereits in einer Krise? Lauras Unsicherheit wirkt daher wie ein Brennglas, das jede noch so kleine Geste, jedes Wort ihres Mannes, jedes unbedeutende Ereignis verstärkt. So gelingt Coppola gleich zu Beginn ein intimes, scharfsinniges Porträt einer Ehe.
Auftritt Bill Murray. Es scheint, als hätte die Autorin Coppola hier dick auftragen wollen, um den notorisch wählerischen Schauspieler von seiner Rolle zu überzeugen. Felix – der Glückliche – ist wahrlich ein gesegneter Mann, eloquent, selbstsicher, weltgewandt und ein wandelndes Lexikon luxurierenden Wissens. Die beste Szene des Films ist, wenn die beiden auf ihrer Verfolgungsjagd (in einem auffallenden Sportwagen) in eine Polizeikontrolle geraten und er sich aus der Affäre redet. Ein wunderbarer Moment, in dem die Figur all ihre Stärken ausspielen kann.
Doch so beeindruckend Felix auf alle anderen Menschen auch sein mag, für Laura ist er nur ihr alter Vater, der sie und ihre Mutter als Kind verlassen hat. Ein eher unzuverlässiger Mann, dessen primäres Ziel im Leben zu sein scheint, Frauen zu becircen. Vermutlich redet er deshalb ständig davon, dass Monogamie unmöglich sei, weil sie die menschliche Natur verleugnet, und dass er Laura damit noch mehr verunsichert und in ihrer Eifersucht bestärkt, gehört für ihn zum Spiel. Felix scheint nichts ernst zu nehmen, am wenigsten Treue oder Ehe. Als Berater ist er in dieser Situation daher denkbar ungeeignet.
On the Rocks ist eine Vater-Tochter-Geschichte. Ohne Felix und sein Verhalten in der Vergangenheit wäre Laura vermutlich weniger eifersüchtig und möglicherweise nicht in der Situation, in der sie sich nun befindet. Leider kommt das erst spät und in einer sehr kurzen Szene zum Ausdruck, in der sie ihrem Vater Vorwürfe macht – die an Felix natürlich abprallen. Ein Teil von ihm bedauert zwar den Schmerz, den er anderen mit seinem untreuen Verhalten bereitet, aber so ist nun mal seine Natur, und wer das nicht akzeptiert, ist selbst schuld. Fehlt eigentlich nur noch die Fabel vom Frosch und dem Skorpion, die man sonst an dieser Stelle eines Films vorgesetzt bekommt.
Laura und Felix sind sympathische Figuren, denen man gerne zuschaut, auch wenn sie wie aus einer anderen Zeit stammen. Die Welt, in der die Geschichte spielt, ist die der New Yorker Upper Class, wunderschön möbliert, voller Luxus und unerschöpflichen Reichtums. Wenn Felix mit Laura auf Observierungstour geht, inszeniert er es wie ein Picknick auf dem Land mit Champagner und Kaviar, wenn sie Dean während einer Geschäftsreise in Mexiko observieren, logieren sie in einem Luxushotel. Das macht es nicht gerade einfacher, ihre Probleme ernst zu nehmen, vor allem weil sich die Konflikte nicht so recht entfalten wollen. Alles bleibt vage, nur angedeutet, und in der Folge plätschert die Story auf amüsante, aber vollkommen bedeutungslose Weise vor sich hin.
Streng genommen hätte Coppola auch einen Kurzfilm aus ihrer Idee machen können, denn für neunzig Minuten fehlt es der Geschichte eindeutig an Substanz. Aber hübsch anzuschauen ist der Film, und Bill Murray ist großartig. Man wird allerdings das Gefühl nicht los, dass Woody Allen mehr daraus gemacht hätte.
Note: 3