Maria Stuart, Königin von Schottland

In der Schule wird man ja gerne an die großen Klassiker der Bühnenliteratur herangeführt, Schüler würden sagen: damit gequält. In der Regel ist man in diesem Alter aber noch viel zu jung und unerfahren, um die Qualität der Stoffe würdigen oder mit ihren Aussagen etwas anfangen zu können. Ich weiß nicht mehr, in welcher Klasse ich Schillers Maria Stuart gelesen habe, aber die Geschichte hat damals auf mich großen Eindruck gemacht. Im Gegensatz zu anderen Dramen hat mich dieses tatsächlich berührt.

Als daher kürzlich Maria Stuart, Königin von Schottland auf Amazon Prime erschienen ist, musste ich ihn mir natürlich sofort ansehen.

Maria Stuart, Königin von Schottland

1561 kehrt die frisch verwitwete Maria Stuart (Saoirse Ronan) aus Frankreich nach Schottland zurück. Der Empfang durch ihren Halbbruder James (James McArdle) ist recht kühl, schließlich muss er nun die Regentschaft an sie zurückgeben. Schon bald verschwört er sich deshalb gegen sich und zettelt eine Rebellion an. Gleichzeitig muss sich die erst 18jährige Monarchin auch gegen die Intrigen der protestantischen Kirche wehren, die unter der Führung von John Knox (David Tennant) gegen sie Stellung bezieht und dabei von England unterstützt wird. Dort sitzt Marias Cousine Elizabeth (Margot Robbie) fest auf dem Thron und versucht, durch eine Heirat ihre Liebhabers Robert Dudley (Joe Alwyn) mit Maria Einfluss auf die schottische Königin zu nehmen. Bald gerät Maria zwischen alle Fronten …

Das Drehbuch stammt aus der Feder von Beau Willimon, dem Schöpfer der Serie House of Cards. Entsprechend konzentriert sich die Handlung auf die komplizierten politischen Intrigen und Verwicklungen während der Regentschaft Marias. Die Königinnen und ihre Vertreter streiten sich um die Ansprüche Marias auf den englischen Thron, die Nachfolgeregelung, um den Einfluss von Protestanten und Katholiken und vieles mehr. Mitunter ist das recht verwirrend, vor allem angesichts des riesigen Personalaufgebots und der unterschiedlichen Fraktionen.

Es gibt also eine Menge Dispute in dunklen Sälen und privaten Kammern, nur hin und wieder aufgelockert durch Ausritte in die herrlich fotografierte schottische Landschaft. Immerhin spielen auch einige Kämpfe eine Rolle, da es mehrfach zu Rebellionen kommt. Insgesamt dauert es aber sehr lange, bis der Film endlich zu seinem Herz vorstößt.

Im Kern dreht sich die Frage nämlich darum, was passiert, wenn die Macht – noch dazu in zwei benachbarten Königreichen – in den Händen von Frauen liegt. Elizabeth und Maria gehen dabei völlig unterschiedliche Wege. Die eine lehnt eine Heirat ab, weil sie fürchtet, von ihrem Ehemann um die Macht gebracht zu werden, und nimmt – ihren eigenen Worten – nach dabei immer maskulinere Züge an. Die andere will sich verlieben und heiraten und einen Erben gebären. Während Maria tatsächlich für kurze Zeit ihr vermeintliches Glück findet, bleibt ihre Cousine immer allein und wird zunehmend verbitterter. Dafür zahlt Maria einen hohen Preis, denn sowohl ihr Mann und dessen Vater als auch ihr Bruder versuchen ständig, sie um ihr Reich zu bringen. Glücklich wird keine von ihnen.

Bis die beiden Frauen sich endlich persönlich begegnen, vergeht nahezu der gesamte Film. Da, wo Schillers Drama einsetzt, endet die Geschichte praktisch, denn Marias Jahre in der Gefangenschaft tauchen nur in der Rahmenhandlung auf. Und ihr Ende, das ja ohnehin bekannt ist, markiert sogar den Auftakt. Allerdings rechnet bei diesem Werk ohnehin keiner mit großen Überraschungen.

Sowohl Ronan als auch Robbie spielen ihren Part ausgezeichnet. Elizabeth kommt ein wenig zu kurz für ein Doppelporträt, dafür kennt man die Figur bereits zur Genüge aus anderen Verfilmungen. Maria ist eine faszinierende Frau, die unter anderen Umständen sicherlich zu einer der großen Herrscherinnen der britischen Insel geworden wäre, hier aber am Ehrgeiz und der Machtgier der Männer zerbricht.

Insgesamt ein packendes Historiendrama, das sich am Anfang leider zu lange Zeit lässt, aber zum Ende hin immer besser wird.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.