Vor einiger Zeit habe ich über die Mini-Serie The Loudest Voice geschrieben, die sich mit dem Roger Ailes-Skandal bei Fox News beschäftigte. Jetzt habe ich endlich den Film zum selben Thema gesehen, der seit kurzem bei Amazon Prime abrufbar und so hochkarätig besetzt ist, dass man ständig bekannte Gesichter entdeckt – selbst in den kleinsten Nebenrollen. Es scheint, als würde das liberale Hollywood zur Generalabrechnung mit dem konservativen Sender ausholen, der es seit vielen Jahren diffamiert.
In gut zwei Wochen wird in den USA bekanntlich gewählt, und ich hoffe sehr, dass das Kapitel Trump dann bald Teil der Geschichtsbücher sein wird. Medial wird uns diese Ära allerdings nur sehr lange begleiten, denn nun beginnt die filmische Aufarbeitung der diversen Skandale – mit nur einer Miniserie oder einem Film kommt man dabei sicherlich nicht hin …
Bombshell – Das Ende des Schweigens
Megyn Kelly (Charlize Theron) ist das weibliche Aushängeschild von Fox News und darf daher die Debatte der republikanischen Präsidentschaftskandidaten co-moderieren. Doch ihre kritischen Fragen gefallen Donald Trump nicht, weshalb er sie zuerst auf Twitter und dann im Fernsehen sexistisch beleidigt. Anstatt Megyn, die von der Presse gejagt und den Konservativen bedroht wird, beizustehen, hält sich der Sender bedeckt – denn man ist auf Trump, der sensationelle Quoten generiert, angewiesen. Gleichzeitig bekommt Megyns Kollegin Gretchen Carlson (Nicole Kidman) ebenfalls Probleme mit der Senderleitung, insbesondere dem Chef Roger Ailes (John Lithgow), denn sie wird zuerst auf einen undankbaren Sendeplatz abgeschoben und schließlich mit Entlassung bedroht. Um sich zu wehren, erstattet sie Anzeige gegen Roger Ailes – wegen jahrelanger sexueller Belästigung. Damit löst sie eine Lawine aus, denn immer mehr Frauen melden sich, darunter auch das neue Talent Kayla Pospisil (Margot Robbie).
In Europa wurde 2016 zwar viel über Donald Trump berichtet, aber weniger über den Fox News-Skandal. Zumindest erinnere ich mich nur an die Artikel, die es im Zusammenhang mit Ailes’ Rücktritt als Senderchef gegeben hat, weniger an eine längere Berichterstattung. Allerdings war 2016 so ein turbulentes, verrücktes Jahr, dass ich vieles vielleicht wieder vergessen habe.
Kürzlich habe ich die aktuelle Staffel von The Good Fight gesehen, deren Auftaktepisode in einer Parallelwelt spielte, in der Hillary Clinton die Wahl gewonnen hat – und in der es u.a. keine #MeToo-Bewegung gibt. Die Moral lag darin, dass auch düstere Kapitel in der Geschichte ihre lichten Seiten haben können, wenn wir bereit sind, aus den Fehlern zu lernen und an ihnen zu wachsen. Die frauenverachtenden Aussagen Trumps haben – ebenso wie die Skandale um Ailes oder Weinstein – massiv dazu beigetragen, dass sich eine größere gesellschaftliche Sensibilität zum Thema sexuelle Diskriminierung herausgebildet hat, und das gibt Anlass zur Hoffnung.
Doch zurück zum Film. Regisseur Ray Roach und sein Autor Charles Randolph (konnten die Produzenten eigentlich keine Frauen für den Stoff finden?) machen ihre Sache insgesamt gut, wollen aber ein bisschen zu viel. Megyns Fehde mit Trump macht den Auftakt, bevor sich anschließend alles um Gretchen und ihre Anschuldigungen dreht, die nach und nach von einer langen Reihe von Frauen bestätigt werden. Kayla wiederum ist das vielleicht letztes Opfer von Roger Ailes, und ihre Geschichte veranschaulicht gut, wie das System perfekt funktionieren konnte. Und Margot Robbie ist großartig. Ihre erste persönliche Begegnung mit Ailes ist so wunderbar subtil gespielt, dass man allein an ihrer Körpersprache erkennt, was gerade in ihr vorgeht. Lithgow gibt einen soliden Ailes ab, erreicht allerdings nie die beängstigende Wucht und Bösartigkeit, die Russel Crowe an den Tag gelegt hat. Für den Schurken in der Geschichte ist Lithgow beinahe zu harmlos dargestellt.
Darüber hinaus wird man mit Informationen über das toxische Arbeitsklima bei Fox News geradezu erschlagen. Wie Frauen dort systematisch erniedrigt und auf ihr Äußeres herabgewürdigt werden, wie ihnen vorgeschrieben wird, wie sie sich zu kleiden und vor der Kamera zu präsentieren haben, ist erschreckend mitanzusehen. Dass Ailes dabei nur die Spitze des Eisbergs ist, wird dabei allenfalls angedeutet, und man kann sich – vor allem nach dem Skandal um Bill O’Reilly, der nur angedeutet wird – beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich bei dem Sender etwas grundlegend verändert hat. Zumindest programmtechnisch ist alles beim Alten. Kate McKinnon als Kaylas Freundin und Kollegin – und eine der schillerndsten Figuren des Films – bringt dabei die Mentalität des Senders gekonnt auf den Punkt: Fox News sendet „alles, was deine Großmutter ängstigt und deinen Großvater erregt“. Besser kann man es nicht formulieren.
Der Nachteil bei dieser Flut an Informationen und dem Heer an Akteuren, deren Namen dankenswerterweise eingeblendet werden, ist, dass man vieles schnell wieder vergisst. Auch wenn es einen roten Faden gibt, hat man das Gefühl, dass zu viele Episoden, die fast zu gut sind, um wahr zu sein, unbedingt noch gewürdigt werden sollten und daher Eingang ins Buch gefunden haben. Dabei bleiben dann manchmal die Protagonistinnen auf der Strecke, denen man nie so nahe kommt, wie es nötig gewesen wäre, damit der Film seine volle emotionale Wucht entfalten kann. Vielleicht hat ja das liberale Hollywood mit den Ikonen des konservativen Fernsehens nicht so viel Mitleid wie sie verdienen.
Insgesamt ein packender, empörender Insider-Bericht, toll gespielt und großartig besetzt, der sich aber ein wenig verzettelt und einen oft kalt lässt.
Note: 3+