Langsam, aber sicher gehen mir die Beiträge für diesen Blog aus. Da immer noch sehr wenige Filme starten, die mich interessieren, bin ich vor allem auf die Streamingdienste angewiesen. Auf meinen Watchlisten stehen zwar viele Titel, aber die Mehrheit sind Arthaus-Produktionen, die ich nicht auf der großen Leinwand sehen konnte. Leider sind es oft schwere Stoffe und düstere Geschichten, auf die ich nicht immer Lust habe und die, wenn man sie ausschließlich schaut, sogar ein bisschen aufs Gemüt drücken.
Manchmal frage ich mich, ob sich das Arthauskino seit den Neunzigern wirklich so stark verändert hat oder nur mein Blickwinkel darauf. Denke ich an meine Studienzeit zurück, gab es jede Menge aufregender Independent-Produktionen, die nicht nur von der Kritik hoch gelobt wurden, sondern auch aufregende, spannende oder bewegende Geschichten erzählt haben. Irgendwie scheint es diese Filme nicht mehr zu geben – oder mein Geschmack hat sich im Laufe der Zeit verändert, oder ich habe einfach schon zu viele Filme gesehen, um mich schnell begeistern zu lassen.
Wie auch immer, ich gebe mein Bestes, um die Filme anzuschauen, von denen ich glaube, dass man sie sehen sollte, weil sie entweder große Publikums- oder eben Kritiker-Erfolge waren. Zur zweiten Kategorie zählt diese französische Produktion …
Porträt einer jungen Frau in Flammen
Die Malerin Marianne (Noémie Merlant) reist 1770 auf eine Insel vor der bretonischen Küste, um ein Porträt der jungen Héloïse (Adèle Haenel) anzufertigen, die ihre Mutter (Valeria Golino) nach Mailand verheiraten will. Doch Héloïse wehrt sich gegen eine Ehe, weshalb Marianne ihr Bild heimlich malen muss. Sie verbringt knapp zwei Wochen auf der Insel und kommt ihrem Objekt dabei so nahe, dass sich zärtliche Gefühle zwischen den beiden entwickeln …
Dies ist im besten Sinne ein Frauenfilm. Geschrieben und inszeniert von Céline Sciamma, makellos in Szene gesetzt von der Kamerafrau Claire Mathon und mit ausschließlich weiblichen Hauptfiguren. Männer tauchen nur ganz am Rand dieser Welt auf, und auch der Blick auf diese ist rein weiblich. Die Geschichte handelt von der schwierigen Position der Frauen im späten 18. Jahrhundert, denen selten Autonomie vergönnt war, die meistens wie Héloïse als Ehefrau endeten oder alternativ ins Kloster gingen. Lediglich sehr wenige Frauen wie Marianne konnten sich eine gewisse Freiheit erkämpfen. Als Malerin darf sie zwar das Geschäft ihres Vaters übernehmen, doch bestimmte Bereiche dieses Gewerbes, etwa das Studium der männlichen Anatomie, bleiben ihr versagt.
Mariannes Ankunft ist von dem Schatten einer familiären Tragödie überschattet: Héloïses ältere Schwester ist kurz vor der geplanten Vermählung von einer Klippe gestürzt und gestorben. Vermutlich hat sie sich aus Angst vor einer lieblosen Ehe das Leben genommen, weshalb Héloïse ihren Platz einnehmen muss, obwohl sie lieber im Kloster geblieben wäre. Gefragt, was ihr an dem Leben dort gefallen habe, nennt sie als erstes die Bücher in der Bibliothek. Sie dürstet nach Wissen, nach Schönheit, und sie hat auch ein großes Interesse an der Musik.
Diese spielt eine wichtige Rolle im Film und spiegelt vor allem in Vivaldis Jahreszeiten die Gefühle der beiden Frauen wider. In zwei korrespondierenden Szenen stellt Marianne Héloïse einmal das Stück vor, indem sie es auf dem Cembalo spielt, später hört Héloïse es mit großem Entzücken und emotional überwältigt in der Oper, wobei sie heimlich von Marianne beobachtet wird. Es ist das letzte Mal, dass die beiden sich sehen.
Dazwischen liegt eine verbotene Liebe zwischen zwei Frauen, von der man weiß, dass sie zum Scheitern verurteilt sein muss. Wie in den meisten Filmen mit homosexuellen Liebesbeziehungen geht es um die Unmöglichkeit einer Verbindung und um das Versagen des persönlichen Glücks. Das ist inzwischen ein Klischee und widerspricht zumindest teilweise auch der historischen Wirklichkeit. Héloïse und Marianne hätten durchaus Möglichkeiten finden können, zusammen zu bleiben – wenn sie mutig genug gewesen wären.
Mut ist jedoch etwas, das weder die Figuren noch die Regisseurin auszeichnet. Als Auseinandersetzung mit der Rolle der Frau in der Kunstgeschichte kommt der Film etwas zu oberflächlich daher. Dazu hätte man stärker sehen müssen, wie Marianne in ihrem Bestreben beschnitten wird. In dieser Hinsicht ist der Film Artemisia – Schule der Sinnlichkeit (blöder deutscher Zusatztitel) über Artemisia Gentileschi besser.
Dafür ist Porträt einer jungen Frau in Flammen handwerklich besser gelungen. Die Bilder sind von betörender Schönheit, das Schauspiel der beiden Hauptdarstellerinnen exquisit, und auch manche Details wie die geheime Botschaft am Ende zeugen von einer klugen, durchdachten Herangehensweise. Sehr schön inszeniert ist auch die zarte Liebesgeschichte, die sich langsam entwickelt.
Leider ist es auch ein Film ohne wirklichen Konflikt. Natürlich gibt es die verbotene Liebe, das unüberwindliche Hindernis des gesellschaftlichen Tabus und auch der sozialen Schranken, aber diese werden im Film nur indirekt thematisiert. Auch die Dialoge sind, so klug sie formuliert sind, nicht so prägnant, dass sie in Erinnerung blieben oder von Themen handelten, die man so noch nicht präsentiert bekommen hat. Alles ist ungemein gefällig und ein bisschen leidenschaftslos.
Ein Kritiker hat den Film als „Übung in Langsamkeit“ beschrieben, und das trifft es ziemlich gut. Filme dieser Art muss es auch geben, mir kommt es nur so vor, als gäbe es momentan nichts anderes mehr.
Toll gespielt, schön fotografiert, aber keine Geschichte, die einen packt oder berührt.
Note: 3-