Als ich kürzlich gesehen habe, dass der Film bei Netflix gestreamt wird, dachte ich, dass ich ihn vor ca. fünf Jahren im Kino verpasst habe. Es stellte sich heraus, dass dies bereits zehn Jahre her ist! Nun ist es eine erwiesene Tatsache, dass die Zeit immer schneller vergeht, aber so schnell? Das ist ja schon beinahe Warp-Geschwindigkeit …
We want Sex
Rita (Sally Hawkins) und ihre beste Freundin Connie (Geraldine James) arbeiten als Näherinnen in einem Ford-Werk im Londoner Vorort Dagenham. Die Bedingungen sind nicht ideal, in den Hallen ist es im Sommer viel zu heiß, und wenn es regnet, müssen sie Schirme aufspannen, um nicht nass zu werden. Als die Werksleitung dann noch beschließt, die Fachkräfte auf die schlechter bezahlte Position ungelernter Arbeiterinnen herabzustufen, reicht es den Frauen. Unterstützt von ihrem Gewerkschaftsvertreter Albert (Bob Hoskins), beschließen sie zu streiken. Obwohl sie eher schüchtern ist, wird Rita zum Sprachrohr der Frauen – und überrascht alle damit, wie engagiert und wortgewandt sie sein kann. Als die Männer nicht länger bereit sind, ihre Frauen zu unterstützen, wird das Bündnis jedoch auf eine harte Probe gestellt.
1968 war das schicke, moderne Leben der Swinging Sixties noch nicht in den Vororten angekommen. Von der Emanzipation ganz zu schweigen. Das Leben der Arbeiterinnen war hart, und neben ihrer Tätigkeit in der Fabrik mussten sie sich um den Haushalt und die Kinder kümmern. Ritas Mann Eddie (Daniel Mays) betrachtet sich bereits als Mustergatte schlechthin, weil er nicht den gesamten Lohn versäuft und weder Frau noch Kinder schlägt. Connies Mann wiederum leidet unter Depressionen und einer posttraumatischen Belastungsstörung – die Wunden des Zweiten Weltkriegs sind auch ein Vierteljahrhundert danach noch nicht geschlossen.
Den Frauen widerfährt ein großes Unrecht, und weil sie eben Frauen sind, glauben ihre Bosse, damit davonkommen zu können. Sogar aus den Reihen ihrer eigenen Gewerkschaftsvertreter – natürlich allesamt Männer – kommt nur begrenzte Unterstützung. Wie die Frauen sich unter Ritas Führung gegen diese Dominanz durchsetzen und für ihre Rechte kämpfen, ist klug und einfühlsam erzählt und spart nicht am typisch britischen Humor. Auch die Schauspieler agieren allesamt wunderbar, so dass man sie sofort ins Herz schließt.
Der Autor William Ivory verknüpft dabei geschickt unterschiedliche Schicksal zu einem interessanten gesellschaftlichen Kaleidoskop. Neben Rita und Connie kommen auch die lebenslustige Sandra (Jaime Winstone), die Model werden will, und Lisa, die Frau des Ford-Betriebsleiters (Rupert Graves), die trotz abgeschlossenen Studiums von ihrem Gatten wie ein besseres Hausmädchen behandelt wird, zu Wort. Eine wichtige Rolle spielt zudem die Arbeitsministerin Barbara Castle (Miranda Richardson), die unter starken politischen Druck gerät, diesen Streik, der bald international für Aufsehen sorgt und das gesamte Ford-Werk lahmlegt, zu beenden, selbst aber ebenfalls mit dem unerträglichen Chauvinismus der Männer zu tun hat.
Natürlich beruht das alles auf wahren Begebenheiten, und die vielen eingestreuten dokumentarischen Aufnahmen sorgen ebenso für das passende Zeitkolorit wie die Interviews mit den realen Näherinnen während des Abspanns. Insgesamt eine kluge, inhaltlich etwas zu sehr mäandernde Erzählung über den Kampf um Gleichberechtigung, der noch immer andauert. Nur der deutsche Titel, der auf einen Gag zurückgeht (ein Transparent mit der Aufschrift „We want sex equality“ ist nur halb entrollt), ist wie so oft völlig daneben.
Note: 3+