Seit ich entdeckt habe, dass es online Listen mit Filmen und Serien gibt, die nur noch einen Monat lang auf Amazon Prime zu sehen sind, schaue ich mir häufig Filme mit „Ablaufdatum“ an – und entdecke dabei hin und wieder sogar interessante Produktionen. So wie diesen Film aus dem Jahr 1998, der ein Jahr später auch bei uns im Kino lief, aber entweder nicht besonders erfolgreich war oder den ich schlichtweg übersehen habe. Dabei ist er gut besetzt und spielt im Venedig des späten 16. Jahrhunderts. Eine Stadt, die ich liebe, und ein historischer Stoff – da kann ich nicht sein sagen, selbst wenn der Titel gleichzeitig schmalzig wie eine Sechzigerjahre-Romanze und so nichtssagend klingt, dass ein erklärender Untertitel gebraucht wird …
Gefährliche Schönheit – Die Kurtisane von Venedig
Veronica Franco (Catherine McCormack) verliebt sich in Marco Venier (Rufus Sewell), dem Erben einer reichen venezianischen Familie. Obwohl sie selbst aus gutem Hause stammt, ist eine Ehe unmöglich, denn Veronica besitzt keine Mitgift. Da sie nicht für ein Leben im Kloster geschaffen ist, zeigt ihre Mutter (Jacqueline Bisset) ihr einen Ausweg, den sie einst selbst beschritten hat: Das Leben als Kurtisane. Zuerst ist Veronica abgestoßen, doch dann entdeckt sie, dass sie nur in dieser Position als Frau die Möglichkeit hat, sich zu bilden, Bücher in den Bibliotheken der Stadt zu lesen und mit gelehrten Männern über Poesie, Politik und Philosophie zu diskutieren. Bald ist sie nicht nur wegen ihrer Schönheit, sondern auch wegen ihrer Klugheit die begehrteste Kurtisane der Stadt und eine anerkannte Dichterin. Marco heiratet derweil eine reiche Erbin (Naomi Watts), liebt Veronica aber immer noch, doch sie wahrt kühle Distanz zu ihm. Das ändert sich erst, als er ihr gegen den eifersüchtigen Dichter Maffio (Oliver Platt) beisteht …
Streng genommen ist der Film ein Bio-Pic. Das Drehbuch von Jeannine Dominy basiert auf der Biografie von Margaret Rosenthal (The Honest Courtesan), nimmt sich jedoch sehr viele Freiheiten, um die Geschichte den Notwendigkeiten der Filmdramaturgie anzupassen. Als cortigiana onesta war Veronica allerdings nicht über die Maßen ehrlich, sondern vielmehr gebildet, sie gehörte zum intellektuellen Zirkel der Stadt und war eine Weile sogar die Geliebte des französischen Königs (Jake Weber) – den sie im Film becirct, um für Venedig die dringend benötigte Unterstützung für den Kampf gegen die Türken zu erhalten. Eine der amüsantesten Episoden des Films.
Im Zentrum der Handlung steht natürlich die Liebesgeschichte, die letzten Endes nicht so ganz überzeugen kann. Zwar stimmt die Chemie zwischen den Darstellern, aber Catherine McCormack ist keine brillante Schauspielerin, und Rufus Sewell nicht die ideale Verkörperung des romantischen Liebhabers. Auch fallen Tempo und Spannungskurve deutlich ab, sobald die beiden endlich zueinander finden, so dass die Autorin zuerst einen Rivalen in Form des Königs, danach einen Krieg, eine Seuche und eine Anklage wegen Hexerei aus dem Hut zaubern muss, um ihrer Story den nötigen Pepp zu verleihen. Das funktioniert ziemlich gut, vor allem das letzte Drittel ist ungemein spannend und – trotz einer gehörigen Portion Pathos und einigen Anleihen bei Der Club der toten Dichter – sogar bewegend. Leider wirkt die Geschichte dadurch nicht wie aus einem Guss, sondern etwas episodisch zerfasert. Was dem Unterhaltungswert jedoch keinen Abbruch tut.
Das große Thema des Films, das immer noch aktuell ist, ist jedoch die benachteiligte Stellung der Frau in der Gesellschaft. Gegen Ende, wenn Veronica fälschlicherweise der Hexerei angeklagt wird (offenbar eine erfundene Anekdote), liefert sie ein leidenschaftliches Plädoyer für die Sache der Frauen, die nur zwei Möglichkeiten haben, um einen Platz in der Gesellschaft zu finden: als unterwürfige Ehefrauen oder als Huren.
Eine starke, kluge Frau, eine romantische Lovestory und ein aktuelles Thema – trotz kleiner Mängel und einem blöden Titel alles in allem eine überzeugende Geschichte.
Note: 3