Als der Film vor einigen Jahren in unsere Kinos kam, sah der Trailer ganz gut aus, aber wie so oft habe ich es dann doch nicht geschafft, ihn auf der großen Leinwand zu sehen. Nun habe ich ihn wiederentdeckt – auf der Liste der Amazon Prime-Filme, die bald wieder aus dem Programm verschwinden. Da wurde es dann endlich Zeit für eine Sichtung …
Lieber leben
In den Neunzigerjahren wird Ben (Pablo Pauly) nach einem Badeunfall vom Hals abwärts gelähmt ins Krankenhaus eingewiesen. Zum Glück stellt sich nach einer Weile heraus, dass er eine Hand und einen Fuß bewegen kann, weshalb man ihn schließlich in ein Reha-Zentrum überweist, wo er lernen soll, seine Beweglichkeit weitgehend wieder herzustellen. Doch vor ihm liegt ein langer Weg – den er glücklicherweise nicht allein gehen muss …
Die Geschichte beruht auf dem Leben und den Erfahrungen von Fabien Marsaud, der unter dem Künstlernamen Grand Corps Malade (großer, kranker Körper) auf Poetry-Slams Bekanntheit erlangt und sowohl am Drehbuch als auch an der Regie des Films mitgewirkt hat. Entsprechend sind wir nah dran an seinen Erinnerungen, beginnt der Film mit einer Subjektiven, die erst nach und nach das ganze Ausmaß dessen offenbart, was ihm gerade widerfahren ist. So entwickelt die Geschichte von Anfang an eine Intensität, die den Zuschauer an die Handlung und die Hauptfigur bindet.
Mit dem Wechsel ins Reha-Zentrum erweitert sich der Kreis der Figuren um nervende Pfleger, teilnahmsvolle Therapeuten und vor allem um einige Mitpatienten, zu denen Ben schließlich ein freundschaftliches Verhältnis aufbaut. Alle sind Tetraplegiker wie er oder zumindest querschnittsgelähmt, andere hat es mit einem Schädel-Hirn-Trauma noch schlimmer erwischt, so gehören zu den traurigsten Momenten des Films die Begegnungen mit Samir, dessen Kurzzeitgedächtnis zerstört wurde, weshalb er sich nie an Ben oder einen anderen Menschen erinnern kann.
Dass Ben zu den Glücklichen gehört, deren Therapie erfolgreich verläuft und der auch die psychischen Belastungen, die mit der Diagnose einhergehen, ganz gut verkraftet, ist nicht von Anfang an selbstverständlich. Und auch Ben muss damit klarkommen, dass sich sein Leben von einem Moment auf den anderen komplett verändert hat. Sein Sportstudium mit dem Ziel, Lehrer zu werden, muss er notgedrungen an den Nagel hängen, aber sein unverwüstlicher Humor bringt ihn auch durch diese dunklen Stunden.
Die anderen Figuren spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle, bekommen aber ein eigenes Schicksal und eine eigene Stimme, die sie zu etwas mehr als bloßen Nebenfiguren machen. Sogar eine zaghafte, neue Liebe findet Ben in Samia (Nailia Harzoune), für die er aber dann noch nicht bereit ist. Insgesamt bleiben Bens Erlebnisse in der Klinik jedoch etwas zu episodenhaft und bruchstückhaft, um über die gesamte Dauer des Films zu tragen. Doch das optimistisch gehaltene Ende macht so manche Länge wieder wett.
Alles in allem ein nachdenklich stimmender Film, der interessante Einblicke in eine Welt liefert, die keiner von uns hoffentlich näher kennenlernen wird.
Note: 3