Tage wie diese

Ach, diese Hitze! So, jetzt hab ich’s gesagt und damit eingestimmt in den Chor derjenigen, die sich über die zu hohen Temperaturen in Deutschland beschweren. Das scheint ein neuer Nationalsport zu sein, wenn man sich die vielen Postings in den sozialen Medien dazu ansieht.

Um dieser schrecklichen Hitze (!) zu entgehen, habe ich nach Wegen gesucht, mich abzukühlen, und bin dabei auf die Idee gekommen, mir einen Winterfilm auf Netflix anzusehen, noch dazu einen, der im Original Let It Snow heißt und in dem entsprechend ganz viel Schnee liegt. Leider spielt er auch an Heiligabend, ist zum Glück aber kein Weihnachtsfilm. Denn Weihnachten im August geht gar nicht.

Tage wie diese

Eine Kleinstadt in Illinois an Heiligabend: Julie (Isabela Merced) hat gerade eine Zulassung zum Studium an der Columbia University bekommen, kann sich aber nicht darüber freuen, weil ihre Mutter schwer krank und sie der Meinung ist, dass sie sich um sie kümmern sollte. Auf dem Heimweg lernt sie im Zug den berühmten Sänger Stuart (Shameik Moore) kennen, dessen Musik sie nicht mag, den sie selbst aber recht sympathisch findet. Als der Zug kurz vor dem Bahnhof im Schnee stecken bleibt, steigen die beiden aus, um den Tag miteinander zu verbringen. Derweil will Tobin (Mitchell Hope) seiner Sandkastenfreundin Angie (Kiernan Shipka) endlich seine Liebe gestehen, doch als sie auf einer Party ständig mit dem Beau JP (Matthew Noszka) abhängt, wird er unsicher.

Dies sind die beiden Hauptstränge des Episodenfilms, dessen Rahmen nicht nur von dem gemeinsamen Schauplatz gebildet wird, sondern auch von der Tatsache, dass alle Beteiligte dasselbe Ziel haben: Sie wollen zu einer Party von Keon (Jacob Batalon). Die findet in einem heruntergekommenen Waffel-House statt, in dem sich die Wege der Figuren immer wieder kreuzen. Dort arbeitet auch Dorrie (Liv Hewson), die sich in Kerry (Anna Akana) verliebt hat, aber nach einer gemeinsamen Nacht von dieser nun ignoriert wird. Bevor sie sich mit Kerry aussprechen kann, muss sie jedoch ihre Freundin Addie (Odeya Rush) beruhigen, die sich Sorgen macht, ihr Freund könnte sie betrügen.

Anhand der Inhaltsangabe ist leicht zu erkennen, dass es sich bei der Produktion nicht nur um einen Episoden-, sondern auch um einen Teenie-Film handelt. Einer der Autoren des Drehbuchs wie der Romanvorlage (natürlich ein Bestseller, was sonst?) ist John Green, der ein Händchen für solche Stoffe hat und aus dessen Feder unter anderem Das Schicksal ist ein mieser Verräter und Margos Spuren stammen. Das waren schöne Geschichten, die ans Herz gingen und den Nerv der Jugendlichen getroffen haben, die man sich aber auch als ein im Herzen jung gebliebener Erwachsener ansehen konnte.

Tage wie diese wirkt dagegen etwas lieblos gemacht, als wäre die Geschichte an einem verschneiten Nachmittag schnell hingekritzelt und dann nie überarbeitet worden. Die Figuren sind weitgehend sympathisch (außer der hysterischen Addie) und die Darsteller machen ihre Sache gut, auch wenn die Paarung Merced-Moore nicht funktioniert, weil man sofort den Kinderschutzbund anrufen möchte. Es gibt auch einige lustige Momente, darunter ein politisch überkorrektes Krippenspiel, einige emotional bewegende Szenen und viele Happy Ends. Auch die Atmosphäre und Tonalität stimmen und versetzen einen gekonnt in eine beschauliche amerikanische Kleinstadt. Und Joan Cusack spielt mit, was immer ein Pluspunkt ist, auch wenn sie erneut die Rolle der überkandidelten Einzelgängerin abgekommen hat, was anscheinend das einzige ist, das sie noch spielen darf und ihr einfach nicht gerecht wird. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Das Einzige, was an Tage wie diese nicht so recht überzeugen kann, ist die Handlung. Besser gesagt, die Handlung aller Episoden, die so seicht und oberflächlich erzählt werden und so wenig originell sind, dass man sich fragt, warum ein Produzent diese Ansammlung an Klischees überhaupt genehmigt hat. – Weil es ein Bestseller war, natürlich!

Wer wie ich auf Teenie-Filme steht und bereit ist, über so manche Seichtheit hinwegzusehen, ist mit dem Film gut bedient. Wer sich mal kurz abkühlen oder schon mal auf den Winter freuen möchte, auch. Übrigens soll die Hitzewelle schon in zehn Tagen vorbei sein, und in gut vier Monaten ist bereits Weihnachten …

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.