J. Edgar

Nachdem ich mich gestern mit einem etwas älteren Film von Woody Allen beschäftigt habe, dachte ich mir, dass es heute in der Corner um einen anderen Altmeister Hollywoods gehen soll: Clint Eastwood und seinen letzten Kinofilm.

J. Edgar

Gegen Ende seines Lebens und seiner Karriere blickt FBI-Direktor J. Edgar Hoover (Leonardo DiCaprio) zurück auf seine fast fünfzigjährige Amtszeit, in der er das FBI aufgebaut und die moderne Verbrechensbekämpfung eingeführt hat.

Hoover war eine der faszinierendsten Figuren in den USA des 20. Jahrhunderts, einerseits ein unermüdlicher Kämpfer gegen Kriminelle und das organisierte Verbrechen, andererseits ein Fanatiker, der überall kommunistische Verschwörungen witterte. Er führte eine zentrale Fingerabdruckkartei ein, schuf Kriminallabore und die Akademie zur Aus- und Fortbildung seiner Beamten und legte damit die Grundlage der modernen Verbrechensbekämpfung. Als einer der ersten machte er sich auch die Macht der Medien zunutze, um das Ansehen der Polizei zu verbessern – auch indem er sie zu Comichelden machte. Als Mensch war er jedoch weniger eine Glanzgestalt, er war ein eitler, machtbesessener und arroganter Mann, der fremde Ehren für sich beanspruchte, vor Erpressung nicht zurückschreckte und jede Kritik gleich in Landesverrat ummünzte. Er hasste Kommunisten, aber auch die Bürgerrechtsbewegung der Sechziger und hatte in seinen privaten Akten jede Menge belastende Informationen über Prominente bist hin zum Präsidenten.

Leonardo DiCaprio spielt den jungen, aber auch den alten Hoover sehr überzeugend und mit einer hervorragenden Altersmaske, aber man kommt der Figur nicht wirklich nahe, um mit ihr warm zu werden. Aufgrund des episodischen Charakter des Buches werden viele Stationen von Hoovers Leben nur schlaglichtartig beleuchtet – die Jagd auf kommunistische Radikale, die Entführung des Lindbergh-Babys oder seine Intrige gegen Martin Luther King – doch alles bleibt letztendlich Stückwerk, ebenso wie seine langjährige Beziehung zu seinem Vize Clyde Tolson (Armie Hammer). Insgesamt ein gut gespieltes Drama, das an der Komplexität seiner Hauptfigur scheitert – das aber, dank Clint Eastwoods Meisterschaft, auf hohem Niveau.

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.