Es gärt in Amerika und auch in Hollywood. Von der Bürgerrechtsbewegung der Sechziger bis zu Black Lives Matter kann man die permanenten Bemühungen der afroamerikanischen Bevölkerung verfolgen, soziale Ungleichheit, polizeilichen und strukturellen Rassismus und eine fast alle Lebensbereiche umfassende Benachteiligung anzuprangern und zu überwinden. Neu ist, dass die Protestbewegung inzwischen auch über den großen Teich geschwappt ist und wir Europäer uns ebenfalls mit unserem Verhalten und unserer Vergangenheit befassen müssen. Dazu zählt nicht nur der Umgang mit afrikanischen Flüchtlingen oder ausländischen Mitbürgern, sondern auch beispielsweise die koloniale Vergangenheit.
Dieser Prozess ist, wie gesagt, kein neuer, und er ist noch lange nicht abgeschlossen, selbst wenn es in den USA unter einem neuen Präsidenten tatsächlich zu Veränderungen kommen sollte. Dass die Problematik auch in Hollywood aktuell ist, konnte man spätestens 2015 mit der Kampagne unter dem Hashtag #OscarsSoWhite feststellen. Als im folgenden Jahr wieder keine Farbigen in den wichtigen Schauspielkategorien nominiert waren, verkündete Spike Lee als Erster, dass er der Verleihung fernbleiben werde, andere Prominente schlossen sich an, der Protest und damit der Hashtag wurde wiederbelebt.
Am 25. Januar 2016 hatte dann The Birth of a Nation – Aufstand zur Freiheit seine Premiere in Sundance und wurde dort gefeiert. Daraufhin entbrannte ein Bieterkrieg zwischen den Verleihern, die in dem Film eine Oscarhoffnung sahen und diesmal auf der richtigen Seite der Geschichte stehen wollten. Am Ende wurde der Film für die damalige Rekordsumme von 17,5 Mio. Dollar verkauft.
Genützt hat es freilich nichts. Dass weder Parker noch sein Film später für einen Oscar nominiert wurden, lag aber nicht am politischen Gegenwind oder einem schwachen Film, sondern vor allem an einer Kampagne, die gezielt gegen den Regisseur geführt wurde und Vergewaltigungsvorwürfe aus seiner Studentenzeit aufgriff. Während Parker damals freigesprochen worden war, wurde sein mitangeklagter Wrestling-Teamkollege Celestin (mit dem er später das Drehbuch zu The Birth of a Nation schrieb), in erster Instanz verurteilt. Ist es legitim, veraltete, noch dazu juristisch folgenlos gebliebene Vorwürfe zu benutzen, um einen Filmemacher zu diskreditieren? Hat die Geschichte nicht vielleicht doch ein rassistisches Geschmäckle? Zynisch betrachtet, könnte man auch sagen #MeToo schlägt #OscarsSoWhite …
Inzwischen ist der Film auf Netflix verfügbar, und ich habe mir ihn sowie zwei thematisch verwandte Filme angesehen. Diese Woche dreht sich also alles um Black Lives Matter.
The Birth of a Nation – Aufstand zur Freiheit
Aufgrund eines auffälligen Geburtsmals wird Nat Turner (Nate Parker) schon von Kindheit an für etwas Besonderes gehalten, für einen Propheten gar. Als er anfängt, sich selbst das Lesen beizubringen, unterrichtet die Hausherrin (Penelope Ann Miller) ihn, indem sie ihm die Bibel als einzige Lektüre zur Verfügung stellt. Als Erwachsener predigt er schließlich den Sklaven seines Besitzers Samuel (Armie Hammer), der ihn gegen Bezahlung auch anderen Plantageneignern überlässt, damit er die Stimmung unter deren Arbeitern positiv beeinflusst. Nat reist von einer Plantage zur anderen und wird dabei unweigerlich Zeuge, mit welcher Brutalität manche Besitzer ihre Sklaven behandeln. Als seine Frau (Aja Naomi King) von Weißen brutal vergewaltigt und verprügelt wird, sieht er sich nicht mehr in der Lage, den Schwarzen immer nur Unterwerfung und Gehorsam zu predigen. Das führt zu einem Konflikt mit Samuel, der Nat auspeitschen lässt – und ihn damit radikalisiert.
Nate Parker, der nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern auch Regie führt und zusammen mit Jean McGianni Celestin das Drehbuch geschrieben hat, wollte nicht einfach nur einen Film über den hierzulande unbekannten Aufständischen und Prediger Nat Turner machen, sondern eine Bewegung ins Leben rufen. Tatsächlich hatte er lange Zeit große Mühe, Financiers für dieses Projekt zu finden, weil angeblich niemand einen Film mit schwarzen Protagonisten sehen wollte …
Der Titel erinnert natürlich an The Birth of a Nation von D.W. Griffith, der 1915 für Furore sorgte und als Meilenstein der Filmgeschichte gilt, weil er zahlreiche Innovationen gebündelt oder entwickelt hat. Der Film hatte nicht nur enormen Einfluss darauf, wie Filme seither produziert werden, sondern hat auch die Dominanz Hollywoods als Traumfabrik begründet. Dumm nur, dass der Film über den Bürgerkrieg und die Zeit danach als rassistisch gilt. Mit der Wahl seines Titels nimmt Parker ironisch Bezug auf diesen Film und kehrt ihn quasi um, indem er die Schwarzen und ihr Leid in den Fokus stellt.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Turner und seine Wandlung vom Prediger zum Revoluzzer. Nate Parker spielt ihn zunächst als einen sympathischen, charismatischen Mann, der tief in seinem Glauben verwurzelt ist und sein Heil eher im nächsten Leben erwartet. Doch die allgegenwärtige Unterdrückung und die Misshandlung seiner Frau lassen etwas in ihm zerbrechen. Dass er schließlich selbst zum Opfer der Willkür seines Besitzers wird, nur weil er nach seinen religiösen Prinzipien gehandelt hat, entfacht seinen Widerstandsgeist. Es ist eine gewaltige und auch gewagte Veränderung, die aber alles in allem psychologisch funktioniert.
Das liegt vor allem an der expliziten und mitunter auch sehr symbolhaften Inszenierung von rassistischer Gewalt und Unterdrückung. Samuel ist ein relativ moderater Sklavenhalter, der seine Arbeiter gut ernährt und kleidet, während die Zustände auf anderen Plantagen geradezu zum Himmel schreien. Aber in dieser Geschichte gibt es keine guten Herren, sondern nur grausame und weniger grausame. Auch Samuel, mit dem Nat immerhin aufgewachsen ist, ist fest in der Gesellschaftsordnung verankert und stellt sie nicht in Frage, auch wenn ihn das Verhalten mancher Sklavenbesitzer sichtlich anwidert. Leider geht Parker nicht näher auf die Figur ein, die zwar dabei ist, sich konsequent zu Tode zu saufen, man aber nie erfährt, ob dies den prekären finanziellen Verhältnissen oder seiner Rolle in einer menschenverachtenden Gesellschaft geschuldet ist.
Um die Wende zum 19. Jahrhundert tobte die Haitianische Revolution, einer der blutigsten und am längsten dauernden Sklavenaufstände, der stark die Gefühle und das Denken der Plantagenbesitzer in den amerikanischen Südstaaten geprägt hat. Die Weißen lebten in ständiger Angst vor einem Aufstand und taten alles, um einen solchen zu verhindern, was auch die Brutalität erklärt, mit der sie gegen Nat vorgegangen sind und die uns der Film dankenswerterweise erspart.
Der Film ist eine emotionale Tour de Force, eindringlicher und verstörender als 12 Years a Slave beispielsweise, und todtraurig am Ende. Man kann die einseitige Darstellung der Weißen kritisieren, von denen – vermutlich zu recht – keiner gut wegkommt, oder auch den (religiösen) Pathos in der Inszenierung mancher Szenen, aber trotz aller Defizite und mancher kleinerer Längen bleibt ein packender, gut gespielter Film übrig, der die Unterdrückung der Sklaven thematisiert und so einen Bogen zur Gegenwart und der polizeilichen Gewalt gegenüber Afroamerikanern schlägt.
Note: 2