Netflix setzt gerade auf Action. Keine Ahnung, ob das mit einer neuen Marktoffensive einhergeht, die verstärkt versucht, ein männliches Publikum zu begeistern, oder ob sie sich gedacht haben, in Zukunft mehr auf jene Genres zu setzen, die im Kino vernachlässigt werden (Romantische Komödien haben sie schon länger im Repertoire), jedenfalls hat der Streamingdienst in den letzten Monaten gleich drei größere Actionfilme veröffentlicht: Nach 6 Underground und der Actionkomödie Spenser Confidential folgte gerade Tyler Rake: Extraction.
Letzteren habe ich mir angesehen und dabei festgestellt, dass das Coronavirus stärker meine veränderte Wahrnehmung unseres früheren Alltags geprägt hat, als ich es mir bislang eingestanden habe. Nein, ich rede nicht davon, dass ich mir bei Zweikämpfen sage: „Wo bleibt hier denn bitte schön der Sicherheitsabstand?“ Mir schoss vielmehr beim Anblick der dichten Bebauung von Dhaka durch den Kopf, dass das Virus dort leichtes Spiel haben dürfte. Wer weiß, wie lange ich noch so denken werde …
Tyler Rake: Extraction
Tyler Rake (Chris Hemsworth) ist ein Ex-Soldat, dessen einziger Sohn vor Jahren an Krebs gestorben ist und der sich nun als Söldner für eine private Sicherheitsfirma verdingt. Die Firma erhält eines Tages den Auftrag, den entführten Sohn eines indischen Drogenbarons zu befreien, der in der Gewalt eines rivalisierenden Gangsters aus Bangladesch ist. Da dieser auch die örtliche Polizei in der Tasche hat, wird daraus das reinste Himmelfahrtskommando.
Die Geschichte basiert auf einer Graphic Novel von Joe Russo, dem Co-Regisseur des Avengers-Finale, der auch das Drehbuch geschrieben hat. Da diese noch Ciudad hieß, kann man wohl davon ausgehen, dass die ursprüngliche Geschichte in Mexiko angesiedelt war. Warum sie nun nach Indien bzw. Bangladesch verlagert wurde, ist auf den ersten Blick nicht unbedingt ersichtlich, hört man doch seltener von Drogenbaronen auf dem Subkontinent, könnte aber – meine Vermutung – vielleicht mit der Tatsache zu tun haben, dass Netflix dort gerade die größten Zuwachsraten verzeichnet. Aber ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Vielleicht wollten die Produzenten auch einfach nur einen Schauplatz wählen, der etwas exotischer ist …
Die Geschichte ist sehr geradlinig erzählt, auch wenn sie mit dem Ende beginnt und dann eine lange Rückblende einläutet. Aber das ist schon beinahe Standard, um schon zu Beginn mit etwas Action aufwarten zu können. Darüber hinaus gibt es einen kleinen Twist, der zwar schon früh enthüllt wird, über den ich aber nicht viel verraten will, um nicht die Überraschung zu verderben. Der Rest ist aber genau jene Art von Film, die man bei dieser Prämisse erwarten kann. Und das ist nicht negativ gemeint.
Der Film ist das Langfilm-Debüt des Schauspielers und Stuntmans Sam Hargrave, der seine Sache ziemlich gut macht. Höhepunkt des Films ist eine gut elfminütige Verfolgungsjagd ohne Schnitt (aber vermutlich digital so bearbeitet, dass es nur so aussieht), die sehr intensiv und packend ist. Chris Hemsworth spielt den todessehnsüchtigen, trauernden Vater mit überraschender Eindringlichkeit, und auch der Showdown auf einer Brücke ist durchaus sehenswert. Der Rest ist, wie gesagt, solide Actionware. Perfekt für einen Samstagabend auf der Couch – wo wir ja gerade sehr viele Abende verbringen müssen …
Note: 3