Obwohl ich noch eine recht lange Liste an Filmen habe, die ich mir bei den diversen Streamingdiensten anschauen möchte, von einem Regal voller DVDs ganz zu schweigen, habe ich mich in letzter Zeit hauptsächlich mit Serien beschäftigt. Das liegt vor allem an Sky Ticket, das wir uns zur Abwechslung mal gegönnt haben. Deshalb werde ich in nächster Zeit einige Serien aus diesem Angebot vorstellen. Den Anfang macht heute:
The Loudest Voice
Als Roger Ailes (Russell Crowe) Mitte der Neunzigerjahre CNBC verlässt, plant er bereits die Neugründung eines konservativen Nachrichtensenders für die „schweigende Mehrheit“, denen die bestehenden Sender zu liberal sind: Fox News. Finanziert wird das Ganze von Rupert Murdoch (Simon McBurney), der Ailes jedoch freie Hand gibt und sich aus dem Tagesgeschäft heraushält. Ailes macht vieles anders und revolutioniert die Sparte, so dass Fox News – auch aus Ermangelung einer konservativen Konkurrenz – bald zum erfolgreichsten Sender avanciert. Ailes’ große Stunde schlägt aber mit den Anschlägen vom 11. September, als er nicht nur die Grenzen des guten Geschmacks überschreitet, sondern auch eine neue politische Richtung einschlägt: Er lässt gegen Muslime hetzen und befeuert in den folgenden Jahren eine stramm konservative Agenda, die nach und nach auch auf die republikanische Partei abzufärben beginnt und schließlich zur Wahl Donald Trumps führt.
Roger Ailes war nicht nur der einflussreichste Konservative seiner Zeit, sondern praktisch der Führer der republikanischen Partei. Schon kurz nach den Anschlägen 2001 wetterte er in einer Rede gegen die Globalisierung und propagierte „Make America great again“, und bereits 2013 wollte er Trump überreden, als Präsidentschaftskandidat anzutreten, was ihm erst zwei Jahre später gelang.
Die Miniserie von Tom McCarthy und Alex Metcalf basiert auf einem Buch des New Yorker Journalisten Gabriel Sherman, der auch in der Serie auftaucht und von Fran Kranz gespielt wird. Sherman beschreibt den Aufstieg des Senders, der untrennbar mit Ailes verbunden ist, und weil er Wert darauf legt, sich an die Fakten zu halten, gerät er bald ins Kreuzfeuer. Ailes mag es nämlich nicht, wenn man seine Methoden kritisiert oder aufdeckt, mit welchen Mitteln er arbeitet. Eine antisemitische Schmierenkampagne gegen den unliebsamen Journalisten ist die direkte Folge und unterstreicht einmal mehr, wie skrupellos und infam Ailes vorgeht, wenn er seine Kritiker mundtot machen will.
Ailes agiert wie ein Mafiaboss und erinnert auch optisch an Brando in Der Pate. Russell Crowe ist unter all dem Latex kaum wiederzuerkennen und verschwindet buchstäblich in dieser übergewichtigen Figur. Das ist zunächst gewöhnungsbedürftig, funktioniert aber ziemlich gut. Ailes ist zu Beginn auch nicht der Bösewicht, zu dem er später wird, sogar wenn er von Anfang an Mittel benutzt, die einem ordentlichen Journalismus zuwiderlaufen. Aber sein erklärtes Ziel ist schließlich, die Zuschauer nicht zu informieren, sondern ihnen lediglich das Gefühl zu geben, informiert zu sein, während er gleichzeitig Stimmungen und Meinungen erzeugt. Bezeichnenderweise hat vor einigen Jahren eine Studie aufgedeckt, dass Fox-Zuschauer weniger über die Vorgänge im Land und in der Welt informiert sind als Leute, die überhaupt keine Nachrichten sehen …
Für Ailes geht es in erster Linie um Macht. Und zwar um seine eigene. An zweiter Stelle kommt die republikanische Politik, so wie er sie versteht: fremdenfeindlich, rassistisch und frauenverachtend. In einer Episode zettelt Ailes beispielsweise einen Kleinkrieg gegen den Bürgermeister seiner Gemeinde an, weil er in einer Sache nicht seinen Willen bekommen hat, er kauft dazu sogar die örtliche Zeitung und instrumentalisiert sie zu seinen Zwecken. Vorgeblich, um Freiheit und Demokratie zu schützen, hetzt er die Bürger der Stadt gegen ihre Führung auf, bis diese klein beigibt und er bekommt, was er will.
Was Ailes hier im Kleinen gemacht hat, gilt auch für die nationale Politik, die unter seinem Einfluss immer gespaltener und feindseliger wurde. Die Serie porträtiert somit nicht nur Ailes und zeichnet ein faszinierendes Psychogramm einer gestörten Seele, sondern auch ein ganzes Land, dessen konservative Hälfte von einem TV-Sender praktisch gehirngewaschen und systematisch aufgehetzt wird, um bessere Einschaltquoten und mehr Einfluss zu bekommen. Göbbels würde vermutlich vor Neid erblassen.
Erst in den letzten Folgen spielt schließlich das eine Rolle, was Ailes schließlich zu Fall gebracht hat: Eine Reihe von Missbrauchsskandalen, die im Zuge der #MeToo-Bewegung aufgedeckt wurden. Zum Zeitpunkt seines Sturzes ist Ailes jedoch schon lange nicht mehr der Gigant, der er einmal war. Paranoid, gesundheitlich angeschlagen und entkräftet, hat er seinen Gegnern nicht mehr viel entgegenzusetzen. Sein Erbe in Form eines hetzerischen Propagandasenders bleibt jedoch bestehen.
Wer sich für die amerikanische Politik der letzten zwei Jahrzehnte interessiert und wissen will, wie das Land werden konnte, wie es ist, sollte sich die Serie anschauen. Sie ist toll gespielt, in den besten Momenten ebenso beklemmend wie empörend und eine gute Ergänzung zu dem Film Bombshell, der den Missbrauchsskandal aus der Sicht der Frauen beleuchtet. Der einzige, der hier ein wenig zu kurz und auch viel zu gut wegkommt, ist Rupert Murdoch …