Kürzlich ist Midsommar auf Amazon Prime veröffentlicht worden, dessen Trailer mich damals neugierig gemacht hat, allerdings nicht so sehr, dass ich mir den Film dann auch im Kino angesehen hätte. Das gleiche gilt auch für Hereditary, dem Langfilmdebüt desselben Regisseurs, Ari Aster, das vor zwei Jahren erschien. Beide Filme haben gemeinsam, dass es eine Gruppe von Zuschauern gibt, die total begeistert sind, während alle anderen nur mäßig interessiert zu sein scheinen. Deshalb wird es Zeit, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Den Anfang macht dabei Hereditary.
Hereditary
Annie (Toni Colette) hat gerade ihre Mutter verloren, zu der sie kein besonders enges Verhältnis hatte. In ihrer Familie hat es eine Reihe psychischer Erkrankungen gegeben, von denen sowohl ihre Eltern als auch ihr Bruder betroffen waren.
Um mit dem Verlust umzugehen, besucht Annie eine Trauergruppe, bei der sie Joan (Ann Dowd) kennenlernt. Gerade als die Familie wieder in ihren Alltag zurückkehrt, kommt es zu einem tragischen Unglück: Die 13jährige Charlie (Milly Shapiro) stirbt bei einem Autounfall, den ihr Bruder Peter (Alex Wolf) als Fahrer zu verantworten hat. Annie ist völlig außer sich, ihr Mann (Gabriel Byrne) zutiefst besorgt, vor allem als seine Frau von Joan auf die Idee gebracht wird, in einer Séance Kontakt zu Charlie aufzunehmen …
Der amerikanische Horrorfilm ist gerade so vielfältig aufgestellt wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. In künstlerischer Hinsicht knüpfen Filme wie Hereditary, Get Out oder It Follows oft an die späten Sechziger- und Siebzigerjahre an. Auch hier ist der Einfluss von Wenn die Gondeln Trauer tragen oder Rosemarys Baby unübersehbar.
Der Horror lässt jedoch eine ganze Weile auf sich warten und steht niemals im Vordergrund. Der Film, der von Ari Aster geschrieben und inszeniert wurde, besticht vor allem durch seinen faszinierenden Look und die düstere, beklemmende Atmosphäre. Inhaltlich geht es eher um das Familiendrama und die Frage, wie man mit dem Verlust geliebter Menschen umgeht. Richtig gruselig ist eigentlich nichts davon, erst gegen Ende driftet die Story dann mehr und mehr in Richtung Horror ab und variiert einmal mehr das Thema dämonische Beschwörungen. Das hat man schon besser gesehen, ist alles in allem aber solide erzählt und in sich schlüssig.
Die Seele des Films ist Toni Colette, die eine beeindruckende Performance abliefert. Aufgewachsen in einer Familie, in der der Wahnsinn vorherrschend war, fällt es ihr sichtlich schwer, emotionalen Zugang zu ihren Kindern aufzubauen. Weil sie mit ihrem Leben schlecht zurechtkommt, flüchtet sie sich in ihre Kunst und reproduziert ihren Alltag in Puppenstuben-Miniaturen. Nach und nach entfaltet sich so ein faszinierendes Psychogramm einer geschundenen Seele, das als Geschichte wesentlich spannender ist als der ganze metaphysische Rest.
Alles in allem eine toll gespielte Geschichte über Liebe und Verlust, mit etwas zu wenig Horror für das Genre, aber einer faszinierenden Atmosphäre.
Note: 3