Es wird langsam ungemütlich da draußen. Regen, Wind und Kälte ergeben zusammen einen typischen Herbsttag in Deutschland, den man am liebsten im Bett verbringen möchte oder doch wenigstens auf der Couch bei einem netten, gefühlvollen Film, der aber nicht zu kitschig sein sollte. Bei Kitsch denke ich zuerst an Love Story, dabei habe ich ihn eher langweilig in Erinnerung, aber was verstehen Männer auch von gefühlvollen Frauenfilmen…?
Gestern ging es um Leoparden küsst man nicht, und 1972 drehte Peter Bogdanovich eine wundervolle Hommage auf die screwball comedy: Is‘ was Doc? mit Barba Streisand und Ryan O’Neal, der übrigens zwei Jahre zuvor mit Love Story berühmt geworden war. Am Ende zitiert die Streisand dann auch einen berühmten Satz aus dem Schmachtfetzen („Lieben bedeutet, niemals um Verzeihung bitten zu müssen“) und macht sich darüber lustig, woraufhin auch O’Neal trocken erwidert: „Etwas Dümmeres habe ich noch nie gehört.“
Manche Frauen dachten sich damals vielleicht, dass er dafür seine Oscar-Nominierung für die beste männliche Hauptrolle für Love Story widerrufen sollte. Übrigens besaß auch Barbra Streisand zu diesem Zeitpunkt bereits einen Oscar, den sie gleich für ihr Debüt Funny Girl bekam. Interessant ist, dass Katherine Hepburn (Der Löwe im Winter) genau gleich viele Stimmen erhielt und sich den Preis mit ihr teilen musste. Angeblich wurde gemunkelt, dass die Streisand viel zu früh in die Academy aufgenommen wurde und sich dadurch selbst wählen konnte, aber so ist Hollywood eben – ein Dorf, in dem ständig geklatscht wird.
Leider hat sie danach nur noch einen Oscar, für den besten Filmsong Evergreen aus A Star Is Born, gewonnen, obwohl sie noch ein paar Mal nominiert war. Neben der Schauspielerei führte sie aber auch mehrmals Regie, und jetzt kommen wir zu:
Der Herr der Gezeiten
Als Tom (Nick Nolte) erfährt, dass seine Schwester erneut versucht hat, sich das Leben zu nehmen, reist er nach New York, um ihrer Therapeuten (Barbra Streisand) zu helfen, die traumatische Vergangenheit der Familie zu verstehen. Dabei muss auch er sich einigen verdrängten Ängsten stellen…
Ich habe ein paar von Pat Conroys Romanen gelesen, und die filmische Adaption von Die Herren der Insel ist wirklich gut gelungen – vielleicht weil Conroy zusammen mit Becky Johnston selbst das Drehbuch geschrieben hat. Der Film erhielt in dieser und sechs weiteren Kategorien auch Oscarnominierungen (nur Barbra Streisand wurde als Regisseurin und Schauspielerin übergangen), gewann am Ende allerdings nicht.
Dabei hat die Streisand wirklich ein Händchen für wunderschöne Bilder, elegische Stimmungen und dramatische Szenen. Sie schafft es, die emotionalen Tiefen der Geschichte auszuloten, ohne dabei im Kitsch zu versinken (wobei man fairerweise sagen muss, dass sie stellenweise kurz davor ist). Insgesamt eine tolle, aufwühlende und zu Herzen gehenden Story über die Wunden der Vergangenheit und die erstaunliche Kraft der menschlichen Seele.
Note: 2+