Don’t f..k with Cats – Die Jagd nach einem Internet-Killer

Warum wurde das Internet erfunden? – Um sich Katzenvideos und Schnappschüsse vom Mittagessen anderer Leute anzusehen. Solches wird ja gerne kolportiert, wobei wahrscheinlich jeder von uns mal bei dem einen oder anderen Katzenvideo hängengeblieben ist. Katzen sind einfach niedlich (Hunde natürlich auch oder Hamster, Meerschweinchen, Kaninchen und dergleichen, um alle Fraktionen abzudecken, nur bei Schlangen und Spinnen ziehe ich eine klare Grenze).

2010 sah sich eine Frau aus Las Vegas, gerade frisch getrennt, emotional verletzt und daher in der Stimmung für ein Video mit niedlichen Schmusekätzchen das Video 1Boy2Kittens an – und erlebte ein Trauma. Ein unbekannter junger Mann steckte in diesem Film zwei Kätzchen in einen Plastikbeutel und saugte mit einem Staubsauger die Luft heraus, so dass sie qualvoll erstickten. Das Video sorgte für so viel Empörung, dass sie spontan eine Facebookgruppe bildete, um die Identität des Tierquälers zu ermitteln und ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Denn er hatte gegen eine fundamentale Regel des Internets verstoßen, die gleichzeitig der erste Teil des Titels der Dokumentation ist:

Don’t f..k with Cats – Die Jagd nach einem Internet-Killer

Erschienen ist die dreiteilige Doku-Mini-Serie vor einigen Wochen auf Netflix und erfreut sich dort einiger Beliebtheit. Als Katzenliebhaber war ich neugierig, außerdem versprach der Trailer spannende Unterhaltung.

Tatsächlich ist vor allem der erste Teil so skurril wie spannend, in seinen besten Momenten sogar besser als alle Thriller der letzten fünf Jahre. Wie akribisch die selbsternannten Fahnder jedes Bild des Videos analysieren, Hintergrundgeräusche filtern, die Form von Steckdosen begutachten oder nach Staubsaugermodellen suchen, ist durchweg faszinierend. Eine weltweite Community, die zusammenarbeitet, um einem brutalen Tierquäler das Handwerk zu legen – auf diese Idee muss ein Drehbuchautor erst einmal kommen.

Nach einiger Zeit wird den Leuten jedoch klar, dass der Täter, dem sie auf die Spur kommen wollen, von ihrer Existenz weiß – und ihre Gruppe infiltriert hat. Er spielt mit ihnen, und bald darauf erscheint ein weiteres Video, das mindestens ebenso brutal ist. Die Frage, die sie sich stellen und die sich wie ein roter Faden durch alle drei Teile zieht, lautet: Tragen sie eine gewissen Mitschuld an der Eskalation der Ereignisse? Haben sie dem Täter, der offensichtlich narzisstisch und psychopathisch veranlagt ist, mit ihrer Aktion genau die Aufmerksamkeit beschert, die er sich immer gewünscht hat?

Im zweiten Teil eskaliert die Gewalt noch weiter, denn – alte Faustregel von Profilern – Serienmörder beginnen meist als Tierquäler. Nach drei Videos, in denen er Katzen tötete, erschien schließlich ein Snuff-Film mit einem Mord an einem jungen Mann. Ab diesem Moment gerät die Gruppe der selbsternannten Fahnder dann leider in den Hintergrund, denn nun übernehmen die Profis.

Das bedeutet allerdings nicht, dass die Doku damit uninteressant würde, ganz im Gegenteil. Die Geschichte hat vor einigen Jahren eine Menge Staub aufgewirbelt, so dass sich der eine oder andere Zuschauer so wie ich wohl noch an die Ereignisse erinnert. Es ist einer jener spektakulären Fälle, über die weltweit berichtet wird und die für Furore sorgen, noch dazu, weil die Jagd nach dem Täter von den USA nach Frankreich und Deutschland geführt hat. Auch was schließlich über den Mörder bekannt wird, ist faszinierend und erschreckend. Und auch hier muss man sich am Ende fragen: Tragen wir mit eben dieser Faszination für das Schreckliche mit dazu bei, solche Täter heranzuzüchten? Veranlasst die Popularität von True Crime-Formaten unter Umständen Menschen zum Mord, um auf diese Weise ihre fünfzehn Minuten Ruhm zu bekommen? Eine Antwort darauf liefert die Doku leider nicht, sie lässt den Zuschauer mit dieser Frage allein zurück.

Alles in allem eine hochspannende und teilweise unglaubliche Geschichte, die geradezu danach schreit, verfilmt zu werden …

Note: 2

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.