The Report

Spätestens nach dem heutigen Post sollte klar sein, dass wir diese Woche ein politisches Thema haben. Es war keine Absicht, hat sich aber angeboten, da ich in letzter Zeit einige Filme gesehen habe, die sich mit der amerikanischen Politik der letzten Jahrzehnte beschäftigt haben.

The Report

Daniel Jones (Adam Driver) will Karriere in Washington machen und landet schließlich im Stab der Senatorin Feinstein (Annette Bening), die dem Geheimdienst-Ausschuss vorsitzt. Sie beauftragt Dan damit, die „erweiterten Verhörmethoden“ der CIA unter die Lupe zu nehmen, die nach den Anschlägen vom 11. September angewandt wurden. Zunächst mit einem kleinen Team, später allein, sichtet Dan über sechs Millionen Seiten Dokumente und arbeitet sechs Jahre lang an seinem viele tausend Seiten umfassenden Bericht, der Ungeheuerliches enthüllt: Nicht nur, dass die USA Folterpraktiken zugelassen und damit nationales wie internationales Recht gebrochen haben, zeigten sich diese darüber hinaus auch noch ausgesprochen erfolglos. Als Jones und Feinstein diesen Bericht schließlich öffentlich machen wollen, stoßen sie auf massiven Widerstand seitens der CIA und des Weißen Hauses …

Die Schlüsselszene des Films ist im letzten Drittel angesiedelt, in dem Dan gegen eine Hetzkampagne der CIA ankämpft, die ihn mit falschen Beschuldigungen als Verräter brandmarken und diskreditieren will. Dan trifft sich mit einem Reporter (Matthew Rhys) und überlegt, ob er ihm den Bericht zuspielen soll. Gefragt, warum die CIA überhaupt zu Foltermethoden gegriffen hat, analysiert Dan in wenigen Worten die Situation: Nach den Anschlägen von 2001 galt die Divise, etwas Ähnliches unter keinen Umständen jemals wieder geschehen zu lassen, gleichzeitig waren die Geheimdienste frustriert, wütend und beschämt über ihr eigenes Versagen. Dass die Gefangenen einer anderen Ethnie und Religion angehören, senkte außerdem die Hemmschwelle, Folter anzuwenden. Hinzu kam ein eklatantes Versagen der Kontrollmechanismen, die von einigen wenigen Insidern bewusst außer Kraft gesetzt wurden, wofür sie sogar Präsident Bush über Jahre hinweg angelogen haben.

Autor und Regisseur Scott Z. Burns, der auch das Drehbuch zu Die Geldwäscherei verfasst hat, beschäftigt sich hier mit einem der größten politischen Skandale der letzten Jahrzehnte in den USA. Der Stoff ist ungeheuer kompliziert, es sind eine Menge Leute darin verwickelt, die sich meistens nur unterhalten oder Papiere durchsehen. Wirklich spannend oder filmisch ist das alles nicht. Deshalb greift Burns zu zwei Kniffen: Zum einen verzichtet er auf eine chronologische Abfolge der Ereignisse und stellt mit ineinander verschachtelten Rückblenden geschickt inhaltliche Zusammenhänge dar, was es wesentlich einfacher macht, die komplexe Materie zu verstehen. Zum anderen belässt er es nicht bei der Erwähnung der diversen Praktiken, sondern führt dem Zuschauer – in teils sehr drastischen Bildern – vor, wie die erweiterten Verhörmethoden aussehen.

So gelingt Burns das Kunststück, einen ungemein spannenden, empörenden und beklemmenden Film zu machen – in dem trotzdem immer noch nicht allzu viel passiert, zu viele Personen auftauchen und zu viele Details mitunter für Verwirrung sorgen. Bisweilen ist man als Zuschauer fassungslos, wenn man etwa erfährt, dass das gesamte Programm auf die Initiative zweier Psychologen zurückgeht, die glaubten, dass mehr Schmerz auch zu mehr Erfolg in den Verhören führt, und dafür ihre eigenen Studien manipuliert haben. Letzten Endes hat ihre Firma auf diese Weise über 80 Millionen Dollar kassiert. Die zweite Ungeheuerlichkeit ist eine Statistik, die nicht nur die vollkommene Erfolglosigkeit dieses Programms belegt, sondern auch aufführt, dass ein Viertel der Opfer zu Unrecht inhaftiert war.

Burns zeichnet ein düsteres Bild seines Landes, das sich immer für seine Demokratie und Rechtstaatlichkeit rühmt. Immerhin lässt er – so viel Patriotismus muss wohl sein – am Ende Feinstein resümieren, dass es wohl nur wenige Länder gibt, die diesen Bericht nicht nur schreiben, sondern auch tatsächlich veröffentlichen lassen. Zwar schränkt auch Burns das ein, indem er darauf verweist, dass dies nur dank der Zusammenarbeit mit einigen Republikanern, vor allem mit dem inzwischen verstorbenen Senator John McCain, möglich war, die es heute – keine zehn Jahre später – nicht mehr gibt. Zum blanken Hohn wird diese Aussage aber während des Abspanns, wenn man erfährt, dass kein einzelner Verantwortlicher zur Rechenschaft gezogen wurde, aber fast alle in zum Teil höchste Ämter befördert wurden.

Ein in Teilen packender und empörender, aber auch gemächlich erzählter und bisweilen zäher Stoff. Für politisch Interessierte aber definitiv ein Must-See. Abrufbar bei Amazon Prime.

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.