Parasite

Die Show ist vorbei, die Oscars wurden vergeben – und ich hinke wieder einmal hinterher. Mein Plan war ja, letzte Woche Little Women, Jojo Rabbit und Judy zu sehen, was natürlich nicht geklappt hat. Irgendwie kam jeden Tag etwas dazwischen. Aber ich bin hoffnungsvoll, dass ich sie noch sehen werde, zumindest die ersten beiden, denn Judy wurde bereits wieder abgesetzt …

Immerhin habe ich noch einen Pfeil im Köcher:

Parasite

Als Kim-Ki-woo (Woo-sik Choi) von einem Freund eine Stelle als Nachhilfelehrer bei der reichen Familie Park vermittelt bekommt, wittert er schnell eine Chance für seine arme, arbeitslose Familie, die in einem dunklen Kellerloch lebt und ständig pleite ist. Er überzeugt die naive Hausherrin (Yeo-jeong Jo), seine Schwester (So-dam Park) als Kunst-Therapeutin für den kleinen Sohn der Familie einzustellen. Später schmieden die Geschwister Intrigen, um zunächst den Fahrer und dann die beliebte Haushälterin (Jeong-eun Lee) loszuwerden und durch die eigenen Eltern zu ersetzen. Das gelingt problemlos, doch dann stellt sich heraus, dass die Haushälterin ein dunkles Geheimnis hütet …

Der Film macht es einem nicht einfach. Ich habe grundsätzlich ein Problem mit (süd-)koreanischen Filmen, insbesondere mit ihren Dialogen. Keine Ahnung, ob das an einer unzureichenden Übersetzung liegt, an unbekannten kulturellen Differenzen oder nationalen Marotten, stellenweise klingen die (synchronisierten) Dialoge wie aus einer Kung-Fu-Klamotte aus den Siebzigern oder sie liefern umfangreiche Erklärungen für Fragen, die man sich als Zuschauer nie gestellt hat. Im besten Falle ist das irritierend, im schlechtesten störend. Obwohl solche Dialoge bei Parasite nicht die Regel, sondern nur die Ausnahme sind, gibt es sie auch hier.

Die erste Hälfte des Films ist eine charmante Gesellschaftskomödie, die von einer schlitzohrigen, armen Familie handelt, die die Gunst der Stunde nutzt, um eine naive reiche Hausfrau auszunehmen. Das ist lustig und thematisch geschickt gewählt. Die Symbolik wirkt bisweilen zwar ein wenig übertrieben – die Armen leben beengt im Keller und müssen ständig befürchten, dass jemand auf sie uriniert, die Reichen residieren in einer Luxusvilla auf dem Hügel –,  passt aber gut ins Bild. Auch sonst wird mit Symbolen und Andeutungen nicht gespart.

Da alles so ungemein reizvoll ins Bild gesetzt, so perfekt choreografiert und auch schön gespielt wird, kann man über die eine oder andere Schwäche hinwegsehen: Dass es beispielsweise keinerlei Hindernisse für die Familie Kim gibt und ihre Opfer sich immer genau so verhalten, wie sie es vorhergesehen haben. Das ist nicht glaubwürdig und sorgt für ein paar Längen, ist aber zu vernachlässigen.

In der zweiten Hälfte kippt der heitere Ton der Erzählung und wird abgründiger und düsterer. Die Gesellschaftskritik wird schärfer, bissiger und entlädt sich schließlich in einem blutigen Finale und einem Schluss, der die Verhältnisse teilweise auf den Kopf stellt. Allzu viel will ich an dieser Stelle allerdings nicht verraten.

Es gibt also einige Überraschungen in der Geschichte, die dafür jedoch nicht mehr stringent, sondern bisweilen sogar recht willkürlich wirkt. Erzählt wird das alles weiterhin handwerklich perfekt und bestechend schön, aber so ganz rund ist es nicht.

Einer der interessantesten und handwerklich solidesten Filme des Jahres, jedoch mit einigen Längen und Defiziten im Storytelling.

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.