In zwei Wochen werden wieder die Oscars vergeben, und ich versuche im Moment, so viele nominierte Filme wie möglich anzuschauen. Einen habe ich vergangene Woche gesehen – auf Netflix …
Marriage Story
Charlie (Adam Driver) ist ein gefeierter Regisseur in New York, seine Frau Nicole (Scarlett Johansson) eine renommierte Schauspielerin, die aus einer Hollywood-Familie stammt und in ihrer Jugend mit einer Teenie-Klamotte berühmt geworden ist. Als nach rund zehn Jahren die Ehe vor dem Aus steht, will Nicole mit dem gemeinsamen Sohn zurück nach Los Angeles. Obwohl sie beschlossen hatten, sich gütlich zu einigen, bringt die Frage nach dem Sorgerecht und dem zukünftigen Wohnort ihres Kindes die beiden Eheleute gegeneinander auf …
Nach vierzig Jahren war es wohl mal wieder Zeit für ein großes Ehedrama. Kramer gegen Kramer hat 1979 für Aufregung gesorgt, wurde bei den Oscars als bester Film des Jahres ausgezeichnet, und es gab auch Preise für die Regie und das Drehbuch von Robert Benton sowie für Dustin Hoffman und Meryl Streep. Auch Marriage Story hat sechs Nominierungen einheimsen können (Kramer gegen Kramer insgesamt neun).
Natürlich gibt es zahlreiche Unterschiede in der Geschichte, auf die ich aber nicht weiter eingehen will. In beiden Fällen behandelt der Film aber einen erbitterten Sorgerechtsstreit, der allen Beteiligten eine Menge abverlangt. Autor und Regisseur Noah Baumbach hat hier das Ende seiner Ehe mit Jennifer Jason Leigh verarbeitet und vermutlich einige biografische Details einfließen lassen. Man fragt sich unwillkürlich, was seine Ex-Frau wohl von dem Film hält.
Der Grundkonflikt der Geschichte ist schnell etabliert und stellt die beiden Noch-Eheleute vor ein Dilemma, das sich nicht lösen lässt, ohne einen von ihnen über längere Zeit von dem gemeinsamen Kind zu trennen. Als Zuschauer ahnt man schon recht früh, dass damit die Konflikte vorprogrammiert sind. Da sich an dieser Situation nichts ändert und beide Parteien auf ihrem Standpunkt beharren, gibt es jedoch keine Bewegung, keine Entwicklung in diesem Prozess, der sich in Folge zu einer recht quälenden Angelegenheit entwickelt. Nicht nur für die beiden Eheleute, sondern auch für den Zuschauer.
Dabei hat der Film zahlreiche Stärken. Allen voran glänzt hier ein wunderbar aufgelegtes Schauspiel-Ensemble, das mit Subtilität und großem Einfühlungsvermögen seine Figuren zum Leben erweckt. Erfreulich ist auch, dass es keinerlei Schuldzuweisungen gibt und die Warte des Films sehr neutral bleibt. Am Scheitern der Ehe tragen beide Parteien Schuld, ebenso an der Eskalation der Ereignisse.
Leider fällt der Film stark ab, sobald die Anwälte ins Spiel kommen. Diese Entwicklung ist zwar unvermeidlich, führt aber ebenso zwangsläufig zu einer erbitterten Auseinandersetzung, die von den Anwälten forciert wird und einen als Zuschauer etwas ratlos macht. Nachdem man sowohl Charlie als auch Nicole gut leiden konnte, entwickeln beide auf einmal negative Züge, die auf Kosten der Emotionalität gehen. Es ist zermürbend, Driver und Johansson bei ihren fruchtlosen Auseinandersetzungen zuzusehen, die schließlich dankenswerterweise in einem bemerkenswerten Streit enden, der beinahe kathartische Wirkung hat. Wenn, wie das Sprichwort sagt, Ehen im Himmel geschlossen und auf der Erde geführt werden, kann man sagen: Sie werden in der Hölle geschieden.
Dafür, dass der Film alles in allem relativ wenig zu erzählen hat, bringt er sein Geschehen ziemlich gekonnt auf den Punkt. Gerade am Anfang, der großartig geschrieben und inszeniert ist, kommt man den Figuren so nahe wie danach nie wieder. Leider geht diese Bindung an die Hauptfiguren mit der Zeit verloren, außerdem stellen sich immer wieder Längen ein, die wenigstens durch eine Handvoll bemerkenswerter Momente ausgeglichen werden, so dass man – auch dank des versöhnlichen Endes – mit einem guten Gefühl entlassen wird.
Note: 3