Als Vorbereitung für Dr. Sleeps Erwachen haben Mark G. und ich uns Shining angesehen. Natürlich kannten wir den Film bereits und haben ihn beide bereits ein-, zweimal gesehen. Als er 1980 ins Kino kam, war ich natürlich noch viel zu jung, weshalb ich ihn erst viel später auf Video entdeckt habe – und von der Bildsprache mächtig beeindruckt war. Von der Handlung allerdings weniger…
Shining
Jack (Jack Nicholson) nimmt die Stelle eines Hausverwalters im Overlook-Hotel an, das hoch in den Bergen Colorados liegt und über den Winter leer steht. Zusammen mit seiner Frau Wendy (Shelley Duvall) und dem gemeinsamen Sohn Danny (Danny Lloyd) zieht er in das abgeschiedene, rund achtzig Jahre alte Gebäude ein, in dem böse Geister ihr Unwesen treiben. Das Haus, auf einer indianischen Begräbnisstätte errichtet, scheint selbst böse zu sein und zieht Jack immer mehr in seinen Bann …
Bei der Entstehung des Films gab es eine Menge Unzufriedenheit auf allen Seiten. Stanley Kubrick war mit Stephen Kings Drehbuchfassung unzufrieden und engagierte daher Diane Johnson als Co-Autorin. Der Regisseur hatte eigentlich einen ihrer Romane verfilmen wollen, sich dann aber für Shining entschieden, um das langsame Abgleiten eines Mannes in den Wahnsinn zu erzählen.
Genau das wiederum machte King unzufrieden, denn er hatte das Gefühl, dass Kubrick nicht den Kern der Geschichte erfasst hat, die von einer bösen Präsenz in Form eines alten Hauses handelt, welche sich des übersinnlich begabten Danny bemächtigen will. Zum Teil ist diese Kritik sicherlich berechtigt, aber auch ein klein wenig überzogen, denn es wird in der Tat deutlich, dass Jack unter einem Bann steht. Ohne den Roman gelesen zu haben, kann ich jedoch nicht beurteilen, inwieweit King diesen Aspekt seiner Geschichte ins Zentrum gerückt hat.
Auffällig ist jedoch ein anderer Unterschied zum Roman: das nahezu vollständige Fehlen der Backstory. Der Roman Shining ist, was man so liest, eine Geschichte über Alkoholsucht, was im Film bestenfalls angedeutet wird. Jack hat im Buch seine Stelle als Lehrer verloren, nachdem er einen Schüler geschlagen hat, und auch Danny musste bereits unter seiner Wut leiden, denn er brach ihm einen Arm. Im Film wird diese Episode nur einmal angedeutet, und zwar von Jack selbst, der den Vorfall natürlich als bedeutungslos herunterspielt. So fehlt dem Film ein wichtiges Element, das nicht nur die Figuren und die Beziehungsdynamik besser erklärt, sondern den Zuschauer auch emotional stärker an sie gebunden hätte.
Vielleicht wollte Kubrick Rücksicht auf seinen Star Jack Nicholson nehmen und ihn seine Figur sympathischer gestalten lassen, vielleicht wollte er die Backstory auch nicht umständlich im Dialog oder in Rückblenden erklären. Fakt ist, dass er dem Film damit einen Bärendienst erwiesen hat, denn die Motive der Figuren sind nun schwammiger, und der Konflikt zwischen den Eheleuten wurde damit praktisch eliminiert. Gerade die Rolle der Wendy bekommt so eine furchtbare Eindimensionalität, die eine an sich schon blasse Shelley Duvall nicht einmal ansatzweise ausfüllen kann.
Natürlich merkt man dem Film inzwischen auch sein Alter an. Er war schon immer etwas langsam, auch verglichen mit Genreklassikern seiner Zeit, was sich in den letzten Jahrzehnten noch verstärkt hat. Vieles, was damals neu und aufregend wirkte – der Einsatz der Steadicam beispielsweise – ist heute Standard. In Erinnerung bleiben aber die starken Bilder, die inzwischen zu festen Bestandteilen der Popkultur geworden sind und immer wieder zitiert werden (zuletzt ausgiebig in Ready Player One). Allein aus diesem Grund sollte man den Film gesehen haben.
Note: 3+