Im Sommer habe ich The Hollow Crown gesehen. Dass ich nicht darüber geschrieben habe, liegt daran, dass es eine Serie ist, deren insgesamt sieben Episoden jeweils Spielfilmlänge besitzen und die Königsdramen von Shakespeare behandeln. Schwierig, diesem Projekt adäquat gerecht zu werden. Es ist definitiv ein ambitioniertes Projekt, großartig besetzt (Ben Whishaw, Tom Hiddleston, Benedict Cumberbatch, Judi Dench und Julie Walters, um nur ein paar zu nennen), trotz überschaubaren Budgets solide inszeniert und dank Shakespeares Dialogen gleichzeitig beeindruckend und mitunter schwer konsumierbar.
Auf Netflix ist nun The King erschienen, ein Film über Heinrich V., der die Zeit kurz vor seiner Thronbesteigung bis nach der Schlacht von Azincourt behandelt. Ich war neugierig, wie diese Version der Geschichte ausfallen würde, immerhin gab es zuvor bereits andere Adaptionen des Dramas: 1990 inszeniert, geschrieben und gespielt von Kenneth Branagh und 1944 von Laurence Olivier.
The King
Hal (Timothée Chalamat) hat keine Ambitionen, seinem Vater (Ben Mendelsohn) auf dem englischen Thron zu folgen, und vergnügt sich lieber in verrufenen Kneipen Londons mit Männern von zweifelhaftem Ruf wie Falstaff (Joel Edgerton). Auch der König bevorzugt Hals jüngeren Bruder, doch nach dessen Tod bleibt Hal keine andere Wahl, als den Thron zu besteigen. Das Land ist zerrissen von Aufständen, außerdem wünschen sich viele Höflinge einen Krieg gegen Frankreich, doch Hal will vor allem Frieden mit seinen Feinden schließen. Bald darauf eskaliert der Konflikt mit Frankreich, als dessen Herrscher Attentäter schickt, Hal zu ermorden, weshalb ihm keine andere Wahl bleibt, als in den Krieg zu ziehen.
Das Drehbuch (von Joel Edgerton und Regisseur David Michôd) macht kein Geheimnis daraus, worauf es basiert: Grundlage des Films ist Shakespeares Drama und nicht die Historie. Das ist schade, da es, wie gesagt, bereits mehrere Verfilmungen des Stücks gegeben hat (streng genommen basiert der Film auf zwei Stücken, Henry IV. und Henry V.), mit denen sich das neue Werk unweigerlich messen muss. Und wer kann schon gegen die Wucht von Shakespeares Dialogen bestehen?
Vielleicht hat den Schauspieler Joel Edgerton gereizt, Falstaff zu spielen, immerhin eine der vielschichtigsten und beliebtesten Figuren aus der Feder des Meisters. Leider wird er der Erfindung Shakespeares in keiner Weise gerecht, Edgertons Falstaff ist – mit Verlaub – eine trübe Tasse, jedenfalls nicht der großmäulige Genießer, Aufschneider und Raufbold, als den man ihn kennt. Edgerton betont vor allem seine, ebenfalls bei Shakespeare angelegten, melancholischen Charakterzüge, macht ihn dann aber zu einem Kriegshelden, obwohl er eigentlich zu dem Zeitpunkt bereits das Zeitliche gesegnet hat. Natürlich ist eine Abweichung vom Stück nicht grundsätzlich schlecht, doch Edgerton schafft es leider nicht, die Figur wirklich zum Leben zu erwecken.
Immerhin hinterlässt Timothée Chalamat als König wie gewohnt einen guten Eindruck, all den Versäumnissen des Drehbuchs zum Trotz. Was den jungen Mann umtreibt, wird allerdings nicht wirklich klar, so friedliebend und versöhnlich Hal auch dargestellt wird, erfährt man als Zuschauer leider nicht, was denn überhaupt zu den Aufständen und Zerwürfnissen im Königreich geführt hat. Dass Hals Vater ein Thronräuber ist, wird nur einmal in einem Nebensatz erwähnt, spielt aber keine Rolle. Die Rebellion Hotspurs (Tom Glynn-Carney) bleibt rätselhaft, sein Tod im Duell gegen Hal unglaubwürdig. Auch die weiteren Verwicklungen, Verschwörungen und Intrigen werden unzureichend geschildert.
Mit einem Helden, der nicht unsympathisch ist, für den man sich aber auch nicht übermäßig begeistern kann, und einer teilweise unverständlichen Handlung, hat der Film keinen guten Start. Hinzu kommt ein viel zu langsames Tempo, das dem Zuschauer eine Menge Geduld abverlangt. Erst gegen Ende, wenn es zu der berühmten Schlacht von Azincourt und der Auseinandersetzung mit dem frechen Dauphin (Robert Pattinson) kommt, ist die Produktion recht unterhaltsam, stellenweise sogar spannend. Nur die berühmte St. Crispins-Tag-Rede verwursten die Autoren zu einem in Teilen peinlichen patriotischen Geschwafel, bei dem Shakespeare entsetzt die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hätte.
Streng genommen hat der Film nur eine einzige gute Idee, die ganz am Ende aufblitzt und sogar einen kleinen Bezug zur Gegenwart hat. Aber das reicht leider nicht aus, um den Film über ein schwaches Mittelmaß hinauszuheben. Gut gemeint ist eben das Gegenteil von Kunst.
Note: 4