Ich hatte eigentlich keine große Lust, den Film zu sehen. Die ersten drei Teilen haben mir zwar gefallen, aber ein Fan des Franchises bin ich dennoch nicht geworden, ganz im Gegensatz zu Mark G., der mich erneut überredet hat, mit ihm ins Kino zu gehen. Aus den Kritiken wusste ich, dass im Film einige existentialistische Fragen behandelt würden, was ich für einen animierten Familienfilm für überaus ambitioniert halte und bei mir von Anfang an Skepsis ausgelöst hat.
A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando
Vor neun Jahren musste der Cowboy Woody einen Verlust hinnehmen: Die Schäferin Bo Peep (bei uns Porzellinchen), zu der er sich hingezogen fühlt, wird verschenkt und verschwindet aus dem Haushalt. Einige Zeit später werden auch Woody, Buzz Lightyear und die anderen Spielsachen an ein anderes Kind weitergereicht, und auch wenn sie ihren früheren Besitzer vermissen, schließen sie Bonnie doch schnell ins Herz. Vor allem der pflichtgetreue Woody hat immer Bonnies Wohl im Auge, weshalb er sich auch für Forky einsetzt, ein selbstgebasteltes Spielzeug aus Göffel und Pfeifenreiniger, das sich für Abfall hält. Als Forky bei einem Ausflug verloren geht, setzt Woody alles daran, ihn zu finden und zu Bonnie zurückzubringen. Dabei trifft er unverhofft auch seine alte Flamme wieder …
Wer bin ich und warum bin ich hier? Tatsächlich stellt ausgerechnet Forky die großen Fragen des Daseins und schleicht sich dabei heimlich ins Herz der Zuschauer. Anders als die aus Fabriken stammenden anderen Spielzeuge verdankt er seine Existenz allein den Bastelkünsten und der Fantasie eines Kindes und muss sich in einer Welt zurechtfinden, in der er plötzlich eine neue Aufgabe hat und Gefühle entwickelt, die bei einem Gebrauchsgegenstand eigentlich nicht vonnöten sind. Entsprechend schwer fällt es Forky, sich in seiner neuen Rolle, der Welt an sich und vor allem seiner ungewohnten Gefühlswelt zurechtzufinden, schwere Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle sind die Folge, und es ist vor allem Woody, der sich seiner annimmt und ihn aufbaut.
Woody geht in seiner Selbstaufopferung sogar so weit, dass er alles, auch seine eigenen Gefühle, seinem Pflichtbewusstsein unterordnet. Er hätte damals mit Bo Peep/Porzellinchen gehen können, aber das hätte bedeutet, seine eigenen Bedürfnisse über die seines Kindes zu stellen. In gewisser Weise übernehmen hier die Spielzeuge eine elterliche Rolle, die nicht nur auf ein Kind und die kurze Zeit, in der es mit ihnen spielt, beschränkt ist. Gleichzeitig zeigt sich gerade bei den verlorenen Spielzeugen, die Woody unterwegs trifft, wie stark ihr „Kinderwunsch“ ist, denn er bestimmt weitgehend ihr Selbstverständnis. Ein Leben ohne Kind ist zwar möglich, letzten Endes aber auch sinnlos.
Besonders deutlich wird das am Schicksal von Gabby Gabby, einer Puppe mit eingebautem, aber defektem Sprachmodul, das dafür gesorgt hat, dass sie nie verkauft wurde und irgendwann als Ladenhüter in einem Antikgeschäft gelandet ist. Noch immer sehnt sie sich nach einem Kind, das sie lieben kann, weshalb sie auch vor fiesen Tricks und Gemeinheiten nicht zurückschreckt. Gabby Gabby ist eine ungemein gelungene Antagonistin, die gleichzeitig mitleiderregend und unheimlich wirkt, letzteres vor allem dank ihrer gruseligen Begleiter.
Dass Woody und seine neuen Freunde am Ende ihre persönliche Freiheit finden und gleichzeitig den Bedürfnissen der Kinder dienen, ist eine schöne Auflösung, auch wenn sich dadurch zukünftige Abenteuer – so es sie geben wird – in ihrer personellen Zusammensetzung stark verändern dürften. Einen Vorgeschmack darauf liefert bereits dieser Film, der fast ausschließlich von Woody handelt und die anderen Figuren mehr denn je zu Nebendarstellern degradiert. Das ist aber auch, neben kleineren Längen, das einzige größere Manko.
Letzten Endes bin ich froh, den Film gesehen zu haben, denn für mich ist er der beste der Reihe.
Note: 2-