Ich habe schon lange nicht mehr über TV-Serien geschrieben. Das liegt nicht etwa daran, dass ich in letzter Zeit keine gesehen habe, sondern hat vielmehr damit zu tun, dass keine so bemerkenswert war, dass ich sie empfehlen würde. Außerdem habe ich vor allem Folgestaffeln von Serien geschaut, über die ich bereits geschrieben habe (The Last Kingdom oder Mindhunter beispielsweise).
Immerhin habe ich einen HBO-Fernsehfilm auf Sky gesehen, das Remake eine Kinoklassikers, das auf einer bekannten Romanvorlage basiert. Romanadaptionen sind immer schwierig. Ich kann im Augenblick sogar ein Lied davon singen, da ich mich selbst an einer versuche, und es stellt sich immer die Frage, wie nah man an der Vorlage bleiben soll bzw. wie weit man sich von ihr entfernen darf. Die jüngste Verfilmung von Ray Bradburys Klassiker hat einen denkbar schlechten IMDb-Wert (4,9), und ich vermute, das liegt zum einen daran, dass Francois Truffaut 1966 eine inzwischen ebenfalls zum Klassiker avancierte Verfilmung vorgelegt hat, zum anderen daran, dass sich die HBO-Version stark von der Vorlage entfernt. Ich war neugierig …
Fahrenheit 451
In der Zukunft sind Kunst und Kultur verboten, insbesondere Bücher gelten als subversiv, weil sie zum kritischen, selbständigen Denken verleiten. Feuerbrigaden jagen Abweichler, die sogenannten Eels, und verbrennen Bücher und Bilder. Stars unter den Gesetzeshütern sind Guy Montag (Michael B. Jordan) und sein Mentor Beatty (Michael Shannon). Letzterer ist zwar ein Scharfmacher, schreibt aber heimlich Gedanken und Zitate auf, um sie danach wieder zu verbrennen. Während eines Einsatzes verbrennt sich eine Frau lieber selbst, als ohne ihre geliebten Bücher zu leben. Montag ist von diesem Ereignis so erschüttert, dass er eines ihrer Bücher einsteckt und später Kontakt zu der Eel-Sympathisantin und Informantin Clarisse (Sofia Boutella) sucht, um sich ihr anzuvertrauen …
Die zentrale Absicht der Autoren Ramin Bahrani, der auch Regie führte, und Amir Naderi, scheint gewesen zu sein, eine rigide Gesellschaft zu zeichnen, in der selbständiges, kritisches Denken verpönt ist, was durchaus auch ein Ziel Bradburys gewesen ist, wenn auch nicht sein primäres. Bradbury prangerte Anfang der Fünfzigerjahre vielmehr das veränderte Freizeitverhalten seiner Mitbürger an, die sich immer stärker dem Fernsehen zuwenden und dafür eine feinere kulturelle Zerstreuung vernachlässigen. Entsprechend wird die Gesellschaft als fernseh- und tablettensüchtig gezeichnet, die gleichzeitig immer roher und brutaler wird. Dieser Aspekt wird nur teilweise aufgegriffen. Gigantische Bildschirme sind zwar omnipräsent und zeigen Livebilder von den Razzien der Firemen, und Montag und seine Kollegen nehmen täglich Medikamente via Augentropfen zu sich, aber es fehlt ein Stellvertreter für die einfache Bevölkerung. Das Volk bleibt ein unsichtbares Publikum, das Drama konzentriert sich auf die Firemen auf der einen und die Eels auf der anderen Seite, mit Montag mittendrin. Da fällt es leicht, Position zu beziehen.
Einige Änderungen sind durchaus clever gemacht, aber sie alle beziehen sich auf Anpassungen an die technischen Entwicklungen, die sich in den letzten Jahrzehnten vollzogen haben. So werden die Medienberichte unmittelbar von Usern kommentiert, es gibt mit Cloud 9 eine Art neues Internet, und die Überwachung erfolgt mittels einer KI, die über Smartspeaker in jedem Haushalt präsent ist. Die wichtigste Änderung besteht in einem Projekt namens Omnis. Wissenschaftler haben das gesamte Wissen der Menschheit codiert und in einem Stück DNS gespeichert, um es außer Landes zu schmuggeln und letztendlich allen zugänglich zu machen. Eine schöne Idee, die aber weitgehend im Dunkeln gelassen wird. Außerdem fragt man sich, warum es dann immer noch Menschen gibt, die einzelne Bücher auswendig lernen, um sie vor dem Vergessen zu bewahren. So passt nicht alles zusammen, was die Autoren passend machen wollen.
Auch die Wandlung Montags vollzieht sich nicht stringent und glaubwürdig genug. Man kann seine Faszination für Bücher zwar ansatzweise nachvollziehen, aber er wechselt ein wenig zu schnell und zu motivationslos die Seiten. Nicht einmal die angedeutete Liebesbeziehung zu Clarisse kann da helfen, weil die Chemie zwischen den beiden nicht stimmt. So stellen sich unwillkürlich Längen ein. Immerhin ist der ambivalente Beatty als Figur ziemlich gut gelungen und wird von Michael Shannon gewohnt souverän dargestellt.
Alles in allem ist diese Neuverfilmung nicht gut gelungen, aber bei weitem nicht so schlecht wie man annehmen könnte. Es gibt einige solide Ansätze und schöne Einfälle, auch wenn sich diese zu weit von der Vorlage entfernen, und sogar ein poetisches Ende. Da wäre aber weitaus mehr drin gewesen.
Note: 3-