Box Office FocUS September 2019

_focUSAufmerksame Leser von Box Office FocUS wissen, dass der September lange Zeit eher als Restmülldeponie Hollywoods fungierte. In den letzten Jahren setzte da immerhin ein Umdenken ein und Monatsrekorde purzelten in erfreulicher Regelmäßigkeit. Was die Verleiher allerdings in diesem Jahr dazu bewegte, nach dem mehr als überschaubaren Juli auch den September so spärlich zu bestücken, das bleibt ihr Geheimnis. Gehen Hollywood die Filme aus? Oder handelt es sich doch um einen epidemischer Ausbruch von Coulrophobie? 

Wochenende 36 vom 6. September 2019 – 8. September 2019

  • A Propos Clowns und Monatsrekorde: An genau diesem Wochenende vor 2 Jahren herrschte in den Chefetagen von Warner Bros eine Seligkeit, die vermutlich noch immer ihresgleichen sucht. „Es“ kam, sah und zerschmetterte Rekorde. Welch ein Glück, dass Kings literarische Vorlage so umfassend ist, dass ein zweiter Teil praktisch unumgänglich war. „Es Kapitel 2“ konzentriert sich nun auf das Leben der Protagonisten im Erwachsenenalter. Hier treffen wir leider auch schon auf Problem #1: Ein Sequel mit bekannten Charakteren, aber eben zwangsläufig neuem Cast. Trotz der hervorragenden Besetzung kommt so kein wirkliches Sequel-Gefühl auf. Letztenendes geht es aber doch sowieso nur um den Clown, oder? Tja, das ist die Frage. Ich glaube, am Erfolg des ersten Teiles hatten viele Dinge ihren Anteil. Die Nähe zum damals sehr gehypten „Stranger Things“, das hervorragende (virale) Marketing und da wäre dann auch noch der gute Pennywise, der sich mittlerweile schon wieder ein wenig abgenutzt haben sollte. Es wirkt beim Sequel alles ein wenig bemühter, man verlässt sich auf das bewährte Rezept und hat es in meinen Augen auch mit der Laufzeit übertrieben. Dementsprechend hält sich der Hype so kurz vor dem Start auch vergleichsweise in Grenzen. „Es“ war eher ein Event, das sich in all seinen Facetten wohl nicht mehr reproduzieren lässt. Deswegen glaube ich, dass sich der Verleih mit noch immer absolut hervorragenden $90m/$215m zufriedengeben muss.

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Wochenende 37 vom 13. September 2019 – 15. September 2019

  • Wer hätte Mitte der 90er Jahre, als „Striptease“ und „Showgirls“ floppten, schon geglaubt, dass ein Stripper-Drama mit Jennifer Lopez im Jahre 2019 vor allem von der Damenwelt heiß erwartet würde? So ändern sich eben die Zeiten. Vom Erfüllen von Männerphantasien hin zum Portrait starker Frauen, die die Männerwelt ausnehmen und aufmischen. „Hustlers“ basiert auf einem Zeitungsartikel (kein Scherz) und schickt sich an, auch über die Zukunft des Mini-Majors STX Entertainment mitzuentscheiden. Dass der erst im Mai abgedrehte Film schon jetzt ins Kino kommt, während viele andere Filme des Verleihs erst einmal verschoben wurden, zeigt, welche Hoffnungen man in die Produktion steckt. Ich denke, die Zuversicht ist berechtigt, denn die Anzeichen verdichten sich, dass der Film bei der „Ocean’s 8“-Zielgruppe punkten kann und wird. Auch das Casten der erfolgreichen Rapperin Cardi B. dürfte eine wichtige Rolle in der Erfolgsgeschichte des Filmes spielen. Da mein Bauchgefühl den Film eigentlich nicht auf dem Plan hatte, muss ich bei einem Einspiel von $26m/$75m hinterfragen, ob ich eigentlich schon gänzlich im Jahre 2019 angekommen bin.

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  • Wieder einmal stellt sich die Frage, ob es die klügste Entscheidung war, „Der Distelfink“ an diesem Wochenende zu starten. Was ist nur mit den Verleihern los, dass sie das ganze Jahr kein Material für Frauen bringen, doch wenn, dann aber immer dermaßen geballt? Der titelgebende Roman von Donna Tartt wurde mit dem begehrten Pulitzer Preis ausgezeichnet und gelangte so in den erweiterten Kreis der erfolgreichsten Bücher des Jahres 2014. Kein Wunder, lässt sich die Autorin auch stets genügend Zeit, ihre Werke zu veröffentlichen. Im Schnitt kommt sie auf eines pro Jahrzehnt. Die Filmadaption erinnert mit ihrer prominenten Besetzung an den ähnlich gelagerten „Extrem laut und unglaublich nah“, indem es ebenfalls um das Leben Hinterbliebener von Terroropfern ging. Die Trailer sind berührend, aber vielleicht auch ein wenig zu dick aufgetragen. Auch wenn sich die Zielgruppen der beiden Filme an diesem Wochenende nicht komplett überschneiden, denke ich doch, dass sie sich gegenseitig beeinflussen könnten und erwarte für den Vogel deshalb nur $9m/$27m.

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Wochenende 38 vom 20. September 2019 – 22. September 2019

  • Ein letztes Mal soll Sylvester Stallone in seiner ikonischen Rolle des John Rambo für ein sicher nicht jugendfreies Gemetzel auf der Kinoleinwand sorgen. Im fünften Teil „Rambo: The Last Blood“ macht sich der alte Herr auf, seine als Geisel genommene Nichte aus den Händen ihrer Peiniger zu befreien. Klingt ein wenig wie „96 Hours“. Obwohl das große Comeback mit Teil 4 im Jahr 2008 kein allzu großer Erfolg wurde, arbeitete Stallone seither an einer weiteren Fortsetzung der Reihe. Hoffen wir mal, das gut Ding Weile haben muss und jetzt der rechte Zeitpunkt für einen Abschluss der blutigen Serie ist. Seine zweite ikonische Rolle des Rocky konnte Stallone mit „Creed“ vor 4 Jahren im neuen Gewand sehr erfolgreich wiederbeleben. Das neue Gewand fehlt dem fünften Rambo vielleicht, doch die Onlineaktivität deutet darauf hin, dass viele Fans geblieben sind und sich ein letztes Mal auf den Weg ins Kino machen möchten. Ob bei $24m/$60m wirklich das letzte Blut geflossen ist, das wird sich bald zeigen.

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  • An diesem Wochenende ist wirklich für fast jeden etwas dabei, der Kindheit und Jugend schon länger hinter sich gelassen hat. In einem engen Rennen könnte Brad Pitt in „Ad Astra“ in einem beeindruckenden Weltraum-Epos einen soliden zweiten Platz erlangen. Ob „Interstellar“, „Gravity“ oder „Der Marsianer“, sie alle wussten die Zuschauer mit beeindruckenden Bildern aus dem All zu überzeugen. Doch ausgerechnet der hoch gehandelte „Aufbruch zum Mond“ enttäuschte im vergangenen Herbst an den Kinokassen. Auch „Ad Astra“ könnte knapp an der Grenze zum Arthaus gesehen werden, die Trailer deuten zumindest leicht darauf hin, liefern aber gleichzeitig auch mehr Action, sodass ich hoffe, dass dies Wirkung zeigt. Die Kritiker haben den Film bereits gesehen und für gut befunden, doch die Karriere von James Gray war in finanzieller Hinsicht bisher noch kein Glückstreffer für die Verleiher. Ob sich das bei Ad Astra ändern wird, ist fraglich, denn auch wenn es mit $17m/$50m zum erfolgreichsten Film der Karriere reichen wird, steht dieses Ergebnis einem Budget von mehr als $80m gegenüber.

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  • Abgerundet wird das Wochenende von einem Film, den viele so sicherlich nicht erwartet hätten. Ich persönlich muss gestehen, dass ich es noch immer nicht geschafft habe, die Serie „Downton Abbey“ zu schauen, obwohl sie schon lange auf meiner To-Do-Liste ganz oben steht. Vielleicht wäre jetzt der richtige Zeitpunkt. Vielen dürfte bekannt sein, dass die Serie im Heimatland ein riesiger Erfolg war. Was vielen aber neu sein dürfte: Auch in den USA war sie für das Network PBS (Halbwegs vergleichbar mit den öffentlich rechtlichen Sendeanstalten in Deutschland) ein riesiger Erfolg. Millionen von begeisterten Zuschauern schalteten die historische Serie mit ihren begabten Schauspielern Woche für Woche ein und fieberten mit ihren Figuren mit. Es ist ungewöhnlich, dass ein Film, der als Hauptzielgruppe unsere Großmütter anspricht, Meldungen zu besonderen Vorverkaufszahlen generiert. So soll der Film am Starttag mehr Tickets abgesetzt haben, als der zweite Teil von „Mamma Mia“. Das ist, wie ich finde, eine beachtliche Leistung. Online sieht es für den Film überhaupt sehr gut aus (und das sind sicher nicht nur Omis) und so sehe ich eigentlich keinen Grund, warum der Film nicht im Stile von „Best Exotic Marigold Hotel“ zu einem echten Überraschungserfolg für die Zielgruppe 50+ heranreifen sollte. Mit $16m/$50m könnte Focus Features doch sicher sehr zufrieden sein.

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Wochenende 39 vom 27. September 2019 – 29. September 2019

  • Viele meiner nicht-existenten US-Amerikanischen Leser mit Kindern würden nun aufhorchen, denn auch für Familien haben die Verleiher dann doch noch einen Film im Angebot. „Everest – Ein Yeti will hoch hinaus“ ist die zweite Produktion aus dem Hause Dreamworks (verantwortlich zeigt sich in diesem Fall der China-Ableger Pearl Studios), die in diesem Jahr die Kinosäle erreicht. Vor 10 Jahren hätte man hier auf einen sicheren Hit setzen können, doch die Zeiten sind für das einst so erfolgreiche Studio rauer geworden. Problematisch wird sein, dass vor genau einem Jahr zu genau diesem Termin bereits Warners Yeti-Film „Smallfoot“ gestartet war. Dazu mischte auch Laika in diesem Jahr mit ihrem „Mister Link“ bereits in der Materie mit. Ist die Pause also lang genug, oder fühlen sich die Zuschauer in einem Déjà Vu gefangen? Am Trailer sollte es nicht liegen, denn dieser ist wirklich schön und farbenfroh und verspricht ein aufregendes Abenteuer für Familien. Ich hoffe, dass Universal den Film nicht einfach versendet und den in den letzten Jahren sehr erfolgsversprechenden Starttermin für Animationsfilme der zweiten Reihe für sich zu nutzen weiß. Da in zwei Wochen schon die Konkurrenz mit der „Addams Family“ in den Startlöchern steht, ist eine lange Laufzeit für den Film nicht gesichert. Ich hoffe aber, dass es irgendwie zu $25m/$90m reicht, damit Dreamworks auch in Zukunft noch an Originalfilmen interessiert ist.

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Und das, liebe Leserinnen und Leser, war der filmärmste September der jüngeren Kinogeschichte. Aber was soll es, einige schöne Hits im mittleren Bereich könnten dabei sein. Ich hoffe, die Zuschauer lassen mich nicht im Stich und erscheinen in großen Zahlen. Vor allem die betagteren Herrschaften dürfen nach einem heißen Action-Sommer nun zeigen, dass sie auch noch in die Kinos zu locken sind. Mögen sie uns alle überraschen und als Vorbild dienen. Macht euch auf in die Kinos!