Es ist wieder Nostalgie-Montag. Da ich momentan immer noch viele ältere und alte Filme schaue, werde ich in den nächsten Wochen an dieser Stelle über sie berichten. In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich auch die Frage, ab wann ein Film alt ist. Nach zwanzig Jahren? Dann wären inzwischen auch Titanic und Matrix alt. Vor einiger Zeit habe ich in einem Film oder einer Serie einen Satz gehört, der mir zu denken gab, denn in dieser Szene beschwerte sich ein Teenager darüber, dass sein Vater mit ihm immer „diesen alten Film“ anschauen wolle – gemeint war Der Herr der Ringe. Und der ist doch nun wirklich nicht alt, sondern lief praktisch erst vorgestern im Kino …
Okay, es war 2001. Vielleicht ist die Bezeichnung alt vielmehr eine Frage der Perspektive. Wenn man einen Film während seines Erwachsenenlebens gesehen hat, kommt er einem vermutlich noch gar nicht so alt vor, während ein Film, den man aus seiner Kindheit kennt, schon älter ist und Werke, die älter als man selbst sind, tatsächlich alt sind.
Das ist aber auch alles gar nicht so wichtig. Am Ende zählt ohnehin nur die Qualität der Filme. Dies ist ein guter …
Gefährliche Liebschaften
Von ihrem Liebhaber Bastide verlassen, sinnt die Marquise de Merteuil (Glenn Close) auf Rache: Ihr früherer Geliebter, der Vicomte de Valmont (John Malkovich), der einen Ruf als Schürzenjäger besitzt, soll Bastides jungfräuliche Braut Cécile (Uma Thurman) verführen. Doch Valmont hat sich eine viel schwierigere Aufgabe gestellt, er will die ebenso sittenstrenge wie schön Madame de Tourvel (Michelle Pfeiffer) erobern, indem er sie glauben lässt, dass seine Liebe zu ihr einen besseren Menschen aus ihm machen könnte. Die Marquise ermutigt ihn darin sogar, indem sie ihm anbietet, eine Nacht mit ihm zu verbringen, sollte er sein Ziel erreichen – und einen schriftlichen Beweis dafür vorlegen. Als Céciles Mutter kurz darauf Valmont bei Madame de Tourvel anschwärzt, ist er jedoch bereit, doch noch mit der Marquise gemeinsame Sache zu machen. Doch diese hat inzwischen den verarmten Chevalier Danceny (Keanu Reeves) auf die junge Dame angesetzt …
Die Story klingt ein wenig wie eine frivole Boulevardkomödie, ist tatsächlich aber ein spannendes Drama über Manipulation, Selbsttäuschung und seelische Grausamkeit, die beschriebene Welt beinahe so kalt und gefährlich wie das New York der Upper Class in Scorseses Zeit der Unschuld. Grundlage des Drehbuchs von Christopher Hampton ist sein Bühnenstück, das auf einem Briefroman von Choderlos de Laclos von 1782 basiert. Zu seiner Zeit ein Skandal, beschreibt er das Lebensgefühl und die Launen des französischen Adels kurz vor der Revolution. Ein sittenstrenges Publikum wird damals über die enthemmten Höflinge, ihre Missachtung von Moral und Anstand und ihre verderbte Skrupellosigkeit empört gewesen sein – und jedes delikate Detail goutiert haben.
Oberflächlich betrachtet, könnte man tatsächlich meinen, dass das Ganze wie eine Seifenoper anmutet: Hier die Intriganten, dort die Tugendhaften, die unschuldig ins Verderben gerissen werden. Aber die Figuren werden ambivalent geschildert. Der Verführer ist durchaus in der Lage zu aufrichtigen Gefühlen, die er aber schließlich leugnet, um sein Selbstbild und sein Image in der Gesellschaft nicht zu zerstören. Es gibt sogar einige Anspielungen auf das Frauenbild jener Zeit und die beklagenswerte Doppelmoral der Männer, die von ihren Frauen Anstand und Wohlbenehmen verlangen, sich selbst aber nicht an ihren Maßstäben messen lassen wollen. So ergibt sich ein faszinierendes Sittenbild.
Die Drahtzieher, die Marquise de Merteuil und der Vicomte de Valmont stehen dabei für den Adel jener Zeit, der ein Leben in Luxus und Müßiggang führte und glaubte, über den moralischen Normen der Gesellschaft zu stehen. Beide Figuren sind äußerst eitel und von sich eingenommen, ohne jedes Mitgefühl oder Skrupel und getrieben von einer Langeweile, die aus der Leere ihrer Leben entspringt. Glenn Close verkörpert ihre Rolle so perfekt und brillant, dass ich sie für die beste Performance ihrer Karriere halte. Dagegen hat John Malkovich sichtlich Mühe, mit ihr mitzuhalten, und verfällt bisweilen in eine etwas merkwürdig anmutende Körpersprache. Daniel Day-Lewis, der die Rolle in Hamptons Stück gespielt hat, wäre sicherlich die bessere Wahl gewesen.
Aufgrund seiner Herkunft ist das Drehbuch naturgemäß sehr dialoglastig. Regisseur Stephen Frears tut sein Bestes, um mit prachtvollen Kostümen und Schauplätzen (beides wurde jeweils mit dem Oscar belohnt) den entsprechenden Rahmen zu schaffen, und inszeniert die Geschichte eher statisch wie eine Oper. Interessant ist, wie sich mit den zunehmenden Verwicklungen und der Entfaltung der Intrigen das Bild immer weiter verdüstert. Spielt die Handlung zunächst im Frühling und in lichtdurchfluteten Räumen, endet sie im Winter und ständiger Nacht. Das unterstreicht eindrucksvoll den Niedergang sämtlicher Figuren, die entweder seelisch gebrochen oder gesellschaftlich diskreditiert werden – wenn sie denn überleben …
Der Film gehört zu den besten Dramen der Filmgeschichte und ist nur wenig gealtert. Sicher, das Tempo wäre heute ein wenig schneller, aber die Geschichte selbst ist nach wie vor ungemein sehenswert und ergreifend.
Note: 2