Die besten Geschichten schreibt das Leben – und Hollywood verfilmt sie. Vor drei Jahren kam Mel Gibsons Hacksaw Ridge in die Kinos, die Lebensgeschichte von Desmond Doss, der im Zweiten Weltkrieg den Kampf mit der Waffe verweigerte und als unbewaffneter Sanitäter in der Schlacht von Okinawa zahlreiche Leben gerettet hat. Vier Jahre vor diesen wahren Ereignissen, 1941, drehte Howard Hawkes in Hollywood einen Film namens Sergeant York, ein Bio Pic über einen Helden des Ersten Weltkriegs …
Sergeant York
Alvin York (Gary Cooper) bewirtschaftet das karge Land seiner Familie im ländlichen Tennessee und kümmert sich um seine Mutter und die beiden jüngeren Geschwister. Er ist ein exzellenter Schütze, aber auch ein Draufgänger, der gerne zu viel trinkt und sich prügelt. Das ändert sich, als er sich in die junge Gracie (Joan Leslie) verliebt. Er schuftet hart, um für sie beide ein fruchtbares Stück Land zu erwerben, scheitert aber und wäre wieder in alte Gewohnheiten verfallen, hätte ihn nicht der Blitz getroffen. Körperlich unversehrt geblieben, erkennt Alvin darin ein Zeichen Gottes …
Dies beschreibt in etwa die erste Hälfte des Films, die schön inszeniert und toll bebildert ist. Gary Cooper ist zwar schon zu alt, um einen jungen Heißsporn zu spielen, macht seine Sache allerdings ausgesprochen gut und überzeugt auch mit seiner Wandlung vom Saulus zum Paulus (ein Oscar war die Belohnung). Auch die anderen Darsteller agieren gut, insbesondere Walter Brennan als gutmütiger Pastor. Stellenweise verfügt die Geschichte sogar über einiges komödiantisches Potential, was erstaunlich ist, wenn man eigentlich ein Kriegsdrama erwartet.
Dazu wandelt sich der Film erst spät. Als die USA in den Ersten Weltkrieg eintreten, verweigert Alvin zunächst den Dienst an der Waffe, aber ein Offizier überzeugt den Meisterschützen, dass die Verteidigung des Vaterlandes das Töten rechtfertigt. Auf den Schlachtfeldern Frankreichs avanciert Alvin schließlich zum Helden, als er mehrere deutsche Maschinengewehrnester ausschaltet und 132 Soldaten gefangen nimmt. Dass er dazu töten musste, bedauert er, rechtfertigt es aber damit, dass er so die Leben seiner Kameraden retten konnte.
Die Kriegsereignisse hat Hawkes mit großem Aufwand in Szene gesetzt und beeindruckt damit auch heute noch (auch wenn manche Statisten etwas zu theatralisch ins Gras beißen), nur die Schilderungen von Alvins Heldentaten wirken ein klein wenig überhöht und unglaubwürdig, selbst wenn sich alles tatsächlich so oder so ähnlich zugetragen haben mag. Im Gegensatz zum fiktiven Alvin, der unmittelbar zum all american hero avanciert, wurde der reale Alvin erst einige Zeit später zum Posterboy, nachdem eine Zeitung ausführlich über seine Taten berichtet hatte und eine Gruppe seiner Landsleute in New York eifrig die Werbetrommel für ihn rührte. Man kann sagen, der Mann hatte eine ziemlich gut PR-Abteilung.
Der Vergleich mit Hacksaw Ridge drängt sich geradezu auf. Beide Figuren basieren auf realen Vorbildern, sowohl Alvin als auch Desmond waren zunächst alles andere als Lämmer, hatten dann eine Art religiöse Erweckung und fühlten sich ihrem Gewissen und der Bibel verpflichtet. Während Alvin jedoch eine moralische Flexibilität erwirbt und keine Probleme mit dem Töten von Feinden hat, bleibt Desmond seinen Prinzipien treu und bis zuletzt Pazifist. Liest man überdies, dass Alvin ein richtiger Hardliner gewesen sein muss, der auch den Einsatz von Nuklearwaffen befürwortet hat, weiß man, dass Desmond für heutige, aufgeklärte Europäer der bessere Mensch gewesen ist. Außerdem ist Hacksaw Ridge auch der bessere Film.
Sergeant York hat durchaus Qualitäten, der Anfang geriert sich fast capraesk mit seiner Lobpreisung des einfachen Landlebens, Gary Coopers Alvin ist ein bescheidener, aufrichtiger Charakter, mit dem man gerne mitfiebert, insbesondere wenn er versucht, ein anständiger Mensch zu werden und das Land zu erwerben. Problematisch ist nur die allzu patriotische Darstellung des Kriegsgeschehens, die auf wenig subtile Weise die Amerikaner auf den Zweiten Weltkrieg vorbereiten sollte. Dem Zuschauer wurde wieder einmal eingetrichtert, wie großartig Amerika ist und dass man seine Freiheit gegen alle Feinde verteidigen muss. Dass man auf dieselbe Weise auch den Tyrannenmord verteidigen oder zum politischen Attentäter werden könnte, um so ebenfalls Leben zu retten, steht freilich auf einem anderen Blatt. Den Produzenten ging es vielmehr um das leuchtende Beispiel eines amerikanischen Helden, der zu Außergewöhnlichem berufen ist und ähnlich wie der brave Cincinnatus am Ende auf seine Felder zurückkehrt.
Der Aufwand hat sich ausgezahlt: Sergeant York wurde der erfolgreichste Film des Jahres 1941 und für elf Oscars nominiert, von denen er aber nur zwei erhielt (neben Gary Cooper wurde William Holmes für den Schnitt ausgezeichnet). Film des Jahres wurde Schlagende Wetter (How Green Was My Valley) über eine walisische Bergarbeiterfamilie, den heute vermutlich nur noch Fachleute kennen. Zu den weiteren Verlierern gehörten übrigens Klassiker wie Citizen Kane und Die Spur des Falken.
Note: 3-