Auf Kreta fühlt man sich wie ein Analphabet. Selbst wenn ich ein bisschen Griechisch spräche, hätte ich immer noch das Problem, die Schilder nicht lesen zu können, so dass ich mich, sobald ich unterwegs bin, immer ein wenig unbehaglich und verloren fühle. In Italien oder Spanien hat man es leichter, man kann wenigstens die Schrift lesen und irgendwann schnappt man auch ein paar Brocken der Landessprache auf. Inzwischen geht mir zwar das Kalimera schon etwas flüssiger von den Lippen, und sogar Mark G. schafft es meistens, nicht Kalimari zu sagen, aber Schilder zu lesen ist nach wie vor unmöglich.
Am Montag haben wir trotzdem den ersten Ausflug unternommen und sind mit dem Bus nach Heraklion gefahren, was weniger abenteuerlich war, als ich mir vorgestellt hatte. Öffentliche Verkehrsmittel sind auf der Insel nicht nur sehr preiswert, sondern verfügen außerdem über ein gut ausgebautes Netz. Die Fahrpläne im Internet sind zwar eine Katastrophe, aber in Natura findet man sich wunderbar zurecht, und die Leute sind sehr hilfsbereit.
Heraklion ist keine hübsche Stadt. Sie ist voll, beengt und ziemlich laut. Außerdem war es an dem Tag drückend heiß und schwül, was unsere Sightseeingtour ein klein wenig anstrengend gemacht hat, auf der anderen Seite gab es sowieso nicht allzu viel zu sehen. Die meiste Zeit haben wir im Archäologischen Museum verbracht, um uns die Kunstwerke aus den letzten Jahrtausenden anzusehen.
Anschließend sind wir noch ein wenig durch die historische Altstadt spaziert, in der man alles Sehenswerte in knapp zwei Stunden abklappern kann. Es gibt ein paar nette Brunnen und venezianische Bauwerke sowie griechische Kirchen, die einen Besuch lohnen. Am Hafen wehte dann wenigstens ein kräftiger Wind, der auch einige Wellen aufpeitschte, die uns nass gespritzt haben. Erfrischend bei der Hitze. Eine Qual war nur das musikalische Begleitprogramm in Form zweier Schwestern, die ein Akkordeon malträtiert und dazu … na ja, gesungen haben. Ich nehme mal an, dass es Gesang war, wundere mich aber, dass die Folterspezialisten der CIA sie nicht längst rekrutiert haben.
Im Café Kirkur haben wir noch einen Stopp eingelegt, um uns die hiesige Süßspeise Bugatsa crema zu Gemüte zu führen, eine Köstlichkeit aus mit Grießpudding gefülltem Blätterteig, die wir unter einem anderen Namen schon mal in griechischen Lokalen in Deutschland gegessen haben und die bei Mark G. immer wie Galapagos klingt …
Am frühen Nachmittag kehrten wir wieder ins Hotel zurück. Es ist erstaunlich, wie viele unterschiedliche Nationalitäten hier Urlaub machen: Franzosen, Engländer, viele Russen, aber auch Israelis, Tschechen, Schweden und Niederländer sind uns im Ort bereits begegnet. Deutsche natürlich auch, aber dafür brauchen wir nur in den Spiegel zu schauen.
Nachdem wir am Montag im Museum bereits so viel über die Minoer erfahren hatten, wollten wir uns am Dienstag dann den legendären Palast von Knossos genauer anschauen. Um der größten Hitze und den Besuchermassen auszuweichen, versuchten wir, möglichst kurz nach acht Uhr dort zu sein, was dann jedoch am Nahverkehr scheiterte. Es gelang uns in Heraklion nämlich nicht, auf Anhieb die richtige Haltestelle zu finden, weil man schlichtweg vergessen hatte, unsere Buslinie auf der Tafel zu vermerken.
Im Bus selbst konnten wir dafür sämtliche Hinweisschilder lesen, denn die Fahrzeuge wurden gebraucht in Deutschland gekauft und die Beschriftungen nicht ausgetauscht. Ob aus Bequemlichkeit oder weil hier ein inselweites Projekt zum spielerischen Erlernen der deutschen Sprache läuft, haben wir noch nicht feststellen können. Wir haben sogar spekuliert, ob unter dem Plakat, das auf Griechisch für was auch immer warb, möglicherweise noch der Fahrplan von Karlsruhe oder Wanne-Eickel hängt …
Doch zurück zu Knossos: Eine wirklich beeindruckende und riesige Palastanlage, die man mal gesehen haben sollte, auch wenn frühere „Archäologen“ manche Abschnitte nach eigenem Gutdünken und Gusto und mit wenig Gespür für die Geschichte zusammengebastelt haben. Was davon alles authentisch ist, lässt sich daher schwer sagen, dafür gab es mehr als nur ein paar Fundamente und Mauerreste zu sehen. Der einzige Bewohner des Palastes war ein stolzer Pfau, der uns gleich am Eingang erwartete, hübsch anzusehen, aber singen kann der auch nicht.
Verglichen mit den einsamen Ruinen der minoischen Villa, die direkt neben unserem Hotel liegen, war hier der Bär los. Vor allem die größeren Touristengruppen, die sich zusammenrotteten, um interessiert den Ausführungen ihrer Reiseleiter zu lauschen, haben uns ständig den Weg versperrt oder das Fotografieren erschwert, aber mit diesen Nachteilen des Massentourismus muss man eben leben.
Nach anderthalb Stunden hatten wir alles gesehen und fuhren wieder ins Hotel zurück, um zu faulenzen und schwimmen zu gehen. Als wir gingen, waren die Schlangen vor dem Einlass und der Kasse bereits rund hundert Meter lang. Wohl dem, der früh aufsteht und sich bereits am Vortag ein (Kombi-)Ticket besorgt hat …