Meine liebste Anekdote über Marlene Dietrich handelt von ihrer Rivalität zu Billy Wilders Ehefrau. Wilder liebte die Pilzsuppe, die Marlene zu kochen pflegte, und eines Tages versprach sie, ihm einen Teller vorbeizubringen. Sie gab die Suppe in einer Thermoskanne bei Wilders Frau ab, die daraufhin den Tisch deckte. Als sie die Suppe verteilte, reichte sie genau für eine Portion …
Es sind diese kleinen Gesten, die so viel über Menschen erzählen können und die Wilder immer wieder in seinen Filmen einsetzte. Neulich habe ich mir Eine auswärtige Affäre angesehen, den der Regisseur mit Marlene Dietrich 1948 gedreht hat, der bei uns allerdings erst knapp dreißig Jahre später im Fernsehen seine Uraufführung erlebte.
Eine auswärtige Affäre
Die Kongressabgeordnete Phoebe Frost (Jean Arthur) reist zusammen mit einer Delegation nach Berlin, um einen Bericht über die Moral der amerikanischen Soldaten zu verfassen. Denn viele Männer gehen Beziehungen zu deutschen Frauen ein, verkehren in zwielichtigen Nachtclubs oder handeln gar auf dem Schwarzmarkt. Einer von ihnen ist Captain John Pringle (John Lund), der in der Entnazifizierungsstelle arbeitet und sich mit Erika von Schlütow (Marlene Dietrich) eingelassen hat, einer Nachtclubsängerin mit zweifelhafter Vergangenheit. Als Phoebe von diesem Verhältnis hört, ohne zu wissen, wer der amerikanische Liebhaber ist, bittet sie ausgerechnet Pringle um Hilfe, der als Ablenkungsmanöver der spröden Politikerin den Hof macht …
Der Film beginnt mit dem Anflug der Kongressdelegation auf Berlin, das eine einzige Trümmerwüste ist. Wilder konnte dafür auf Aufnahmen zurückgreifen, die er selbst Ende des Krieges für das Militär gemacht hat und die für den notwendigen historischen Hintergrund sorgen. Auch eine Fahrt durch die Stadt, vorbei an den Ruinen seiner historischen Gebäude, steuert einige erschreckende Bilder der zerstörten Hauptstadt bei.
Vor diesem dramatischen Hintergrund lässt Wilder eine Dreiecksliebesgeschichte voller Frivolitäten ablaufen, ein Versteckspiel, das bisweilen an eine Boulevardkomödie erinnert und vom Gefühlswirrwarr der drei Hauptfiguren handelt. Die Geschichte wechselt ständig zwischen Leichtigkeit und Ernst, lässt eine prüde, prinzipientreue Amerikanerin auf einen gerissenen, moralisch flexiblen Landsmann treffen, der wiederum in einem erotischen Abhängigkeitsverhältnis mit einer zwielichtigen, ehemaligen regimetreuen Sängerin gefangen ist. So richtig will das alles nicht zusammenpassen.
Sehr schön geschildert wird die Story von Phoebe, die nach Berlin kommt, um Anstand und Moral unter den Soldaten zu prüfen und dann dem Charme eines Mannes verfällt, der all das verkörpert, was sie zutiefst ablehnt. Durch ihn lernt sie loszulassen, ihren Gefühlen zu vertrauen und auch mal ein Auge zuzudrücken, und wie Jean Arthur langsam Phoebes Panzer aufbrechen und sie ihre Weiblichkeit entdecken lässt, ist schön gespielt. Auch Wilders bisweilen skurrile Inszenierung des Liebeswerbens ist treffend und originell.
Im Grunde ist es auch Phoebes Geschichte, die erzählt wird, obwohl Marlene Dietrich damals vermutlich der größere Star war. Erika spielt nur eine prominente Nebenrolle, ist allerdings der interessantere Charakter. Eine Frau mit einiger Lebenserfahrung, die auch viel Leid erfahren hat, ein wenig verbittert ist und in erster Linie auf ihren Vorteil bedacht. Ihre Affäre mit Pringle ist rein sexueller Natur, wenig romantisch, eher berechnend, und die beiden schenken sich nichts, sind bisweilen gemein, im nächsten Moment wieder zärtlich. Eine faszinierende Beziehung, ungeschönt und ungewöhnlich für diese Zeit. Erika ist kein eindeutiger Charakter, sondern ambivalent und voller Widersprüche, sie ist stark und unabhängig, braucht aber Pringle zum Überleben, denn er ist ihre Fahrkarte nach Amerika und in eine hoffentlich bessere Zukunft. Gleichzeitig schleppt sie eine Menge Altlasten mit sich herum, denn nach und nach kommt heraus, dass sie dem Naziregime enger verbunden war als sie immer behauptet hat. So gibt es eine wunderbare Szene, in der Phoebe dem verdutzten Pringle eine alte Wochenschau-Aufnahme zeigt, in der Erika vom Führer persönlich hofiert wird …
Beide Handlungsstränge wollen sich nicht so recht ineinanderfügen. Beide sind interessant und stark, der eine eher leicht und amüsant, der andere düster und geheimnisvoll, gegen Ende sogar ein wenig spannend, wenn Erika als Lockvogel eingesetzt wird, um einen Nazi zur Strecke zu bringen. Wilder hat das Drehbuch, an dem insgesamt fünf Autoren gearbeitet haben, nach seinen Wünschen noch umgestaltet und ihm seinen berühmten Touch verliehen, das Grundproblem ließ sich damit aber leider nicht lösen.
Aus historischer Sicht ein unbedingt sehenswerter Film, auch Liebhaber von Billy Wilder oder Marlene Dietrich sollten ihn sich nicht entgehen lassen, auch wenn er einige Längen hat und die Geschichte etwas indifferent wirkt.
Note: 3