Game of Thrones

Alles hat einmal ein Ende. Vor wenigen Tagen lief die letzte Folge von Game of Thrones und beendete eine der bekanntesten Serien der Fernsehgeschichte. Nicht weniger interessant als das, was sich auf den Bildschirmen abspielte, waren die Reaktionen des internationalen Publikums, das es erst nicht abwarten konnte, die finale Staffel zu sehen, nur um sich seit der ersten Folge unentwegt zu beschweren. Es gibt sogar Forderungen, die Episoden noch einmal zu drehen. Aber war es denn wirklich so schrecklich wie viele behaupten? Ich habe meine eigene Meinung dazu, und wer die achte Staffel noch nicht gesehen hat, sollte lieber nicht weiterlesen …

 

Als die Serie vor acht Jahren startete, waren meine Erwartungen eher verhalten, ein Fantasy-Drama über ein fiktives Königreich mit Rittern und Mittelalterflair klang zwar grundsätzlich nicht schlecht, ein solches Projekt steht und fällt aber immer mit dem Budget. Doch HBO hat bekanntlich keine Kosten und Mühen gescheut und die Serie üppig ausgestattet und mit einigen bekannten Gesichtern besetzt. Ich vermute mal, dass sie auch aus ihren Fehlern bei Rom gelernt haben, einem ebenfalls teuren Prestigeprojekt, das sie zu früh aufgegeben hatten. Nun plante man gleich für mehrere Jahre, schließlich gab es zu dem Zeitpunkt bereits fünf Romane als Vorlage und zwei weitere, die in Vorbereitung waren (und auf die die Fans bis heute warten).

Nach der ersten Folge war ich allerdings bereits begeistert. Vom Setting, den Figuren und der Exotik einer Welt, die uns dennoch ein bisschen vertraut ist. Kein Wunder, schließlich stand nicht nur das europäische Mittelalter Pate (deren bauliche Überreste gleichzeitig als Kulissen dienten, was definitiv besser aussah als die üblichen Studiobauten aus Pappmaché), sondern auch die englischen Rosenkriege des 15 Jahrhunderts. Und Drachen und Zombies gab es auch noch, allerdings kamen die etwas später dazu. Der häufigste Satz, der gesagt wurde, lautete Winter is coming (bei einem Trinkspiel wäre man dabei schnell betrunken geworden), und wir alle fragten uns, was dieser Winter wohl bringen würde. Man konnte nur vermuten, es würde der berühmte Shakespearesche „Winter des Missvergnügens“ werden, und sollte Recht behalten.

Was GoT so besonders machte, war allerdings seine Unberechenbarkeit. Keine Figur war sicher, das lernten wir bereits am Ende der ersten Staffel, als der Held und Sympathieträger Ned Stark (Sean Bean) einer Intrige zum Opfer fiel und enthauptet wurde. Fortan ging es vor allem um seine Kinder und ihr Schicksal, das eng verknüpft war mit dem des Reiches, in dem mehrere Prätendenten sich um den eisernen Thron stritten. Im Verlauf dieses Krieges kam es noch zu etlichen Überraschungen, man denke dabei nur an die Rote Hochzeit, die ebenfalls für einen Aufschrei unter den Fans gesorgt hat. Die Empörung über den Bruch mit Genrekonventionen und liebgewordenen Sehgewohnheiten begleitet die Serie also schon eine ganze Weile.

Nun ist der Thronfolgestreit endlich entschieden, und wer am Ende das Königreich regiert, ist die vielleicht größte Überraschung, denn mit Bran Stark (Isaac Hempstead Wright) hätte ich niemals gerechnet. Als erster Monarch wurde er vom Rat der führenden Häuser gewählt, und wenn man die deutsche Geschichte kennt, kann man sich ausmalen, welche Schwierigkeiten in Zukunft auf den Kontinent zukommen dürften. Putzig war die Szene, in der sich Samwell Tarly (John Bradley) für Demokratie einsetzte – um dann von allen anderen ausgelacht zu werden. Tja, manche sind eben noch nicht so weit. Überhaupt fand ich es immer erstaunlich, dass dieses Land auf viele Jahrtausende schriftlich überlieferter Geschichte zurückblicken kann, sich aber nie etwas geändert zu haben scheint. Es gab keine nennenswerte technische noch gesellschaftliche Weiterentwicklung. Eine Gesellschaft im Frostzustand eines geistigen Winters.

Ist Bran eine gute Wahl? Ja und nein. Einerseits ist er noch der geeignetste Kandidat, aber gleichzeitig glaube ich nicht, dass er überhaupt bereit wäre, dieses Amt zu übernehmen, nachdem er seit seiner Rückkehr in die Zivilisation gebetsmühlenartig wiederholt hat, dass er als der dreiäugige Rabe kein weiteres Amt haben will. Woher kommt der plötzliche Sinneswandel? Die Autoren bleiben es uns schuldig.

Überhaupt wird den Showrunnern David Benioff und D.B. Weiss vorgeworfen, bei den Büchern der letzten Staffel geschludert zu haben. Es stimmt, alles wird in einem zu schnellen Tempo erzählt, wobei mitunter die Figurenzeichnungen und Motive auf der Strecke bleiben. Auf der anderen Seite hätte es nichts gebracht, das Unvermeidliche noch weiter in die Länge zu ziehen. Alle Parteien waren für die finale Konfrontation bereit, da hätte es wenig Sinn gemacht, weitere Verzögerungen einzubauen. Vielleicht hätte ein Kompromiss darin bestanden, statt sechs lieber acht oder zehn Episoden herzustellen, um etwas mehr Spielraum für eine glaubwürdigere Figurenzeichnung zu haben.

Es ist schade, dass George R.R. Martin nicht die finalen Bände fertigstellen konnte, bevor Weiss und Benioff ihre letzten Staffeln in Angriff genommen haben, denn die Drehbücher sind von diesem Zeitpunkt an tatsächlich schwächer geworden. Auch haben manche Entscheidungen dazu geführt, dass einige Figuren, die in der Vorlage weniger Raum einnahmen, aufgrund der Popularität der Seriencharaktere häufiger auftraten, ohne dass die Autoren mit ihnen etwas anzufangen wussten (Bronn ist das beste Beispiel dafür, der von einem aktiven Akteur zu einem zynischen Beobachter geworden ist). Aber alles in allem haben sie ihre Sache gut gemacht.

Der letzten Staffel werden dennoch einige Vorwürfe gemacht, auf die ich aber nicht alle eingehen möchte. Einer betrifft die zu rasche Wandlung von Daenerys (Emilia Clarke), die mehr oder weniger dem Wahnsinn verfällt, der ihre Familie so unberechenbar macht und in letzter Konsequenz Weltherrschaftsgelüsten bei ihr weckt. Viele finden diese Entwicklung zu übertrieben und unglaubwürdig. Doch wenn man genau hinschaut und hinhört, erkennt man durchaus die emotionalen Brüche und Verschiebungen, die in der Psychologie der Figur angelegt sind, das Problem ist wieder einmal das Tempo und auch die Tatsache, dass Clarke so liebreizend und nett wirkt, dass man ihr die wütende Rächerin nicht abnehmen will. Nachvollziehen kann man ihre Handlungen jedoch sehr wohl.

Ich denke, viele sind einfach enttäuscht, weil sie ein Hollywood-Ende erwartet haben: Die Guten siegen und werden belohnt, die Bösen dagegen bestraft. Im Prinzip haben wir das auch bekommen, nur fällt die Bestrafung für manche Schurken und vor allem für die böse Königin Cersei (Lena Headey) nicht so drakonisch aus, wie manche vielleicht gehofft hatten. Sie und auch einige andere Charaktere wurden etwas zu beiläufig und unspektakulär vom Feld geräumt, was allerdings schon früher der Fall war (man erinnere sich an den Tod Khal Drogos). Und auch unser strahlender Held Jon Snow (Kit Harrington) geht am Ende geradezu leer aus. Ist das in Ordnung?

Ein Film oder eine Serie muss nicht immer ein Happy End bieten, das Ende muss für die jeweiligen Figuren nur angemessen und für den Zuschauer zufriedenstellend sein. Jon Snow ist – bei aller Sympathie – kein strahlender Held, er hat ständig kontroverse und unangenehme Entscheidungen getroffen oder treffen müssen, die zwar oft richtig waren, ihm aber auch jede Menge Feindschaften eingebrockt haben. Diplomatie ist also nicht seine Stärke. Auch auf dem Schlachtfeld hat er sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, die Schlacht der Bastarde hat er zum Beispiel nur dank Einmischung von außen gewonnen. Als Liebender hat er auch versagt, weil er beide Frauen, denen er zugetan war, verraten hat. „Die Pflicht tötet die Liebe“, heißt es in der letzten Folge (oder so ähnlich), das spricht eben nicht für einen romantischen Charakter. So ist es nur folgerichtig, wenn er am Ende allein in der Wildnis verschwindet.

Alles in allem ist das Ende zufriedenstellend. Ich hätte mir für die Thronfolge vielleicht eine bessere und glaubwürdigere Lösung gewünscht, aber richtig gestört hat mich die Krönung von Bran nicht. Sehr schön ist jedenfalls das Einschmelzen des eisernen Throns durch den letzten Drachen, der besser als alle anderen erkannt zu haben scheint, wozu die Gier nach Macht am Ende führt. Das war eine der besseren, poetischeren Szenen. Das Ende der Clegane-Brüder war ebenfalls unglaublich gut, und auch wie Brienne mit dem Erbe Jamie Lannisters (Nikolaj Coster-Waldau) umgegangen ist, berührte. Dass Sansa (Sophie Turner) Königin des Nordens und Arya (Maisie Williams) Entdeckerin wird, passt auch sehr gut zu den Charakteren. Vielleicht sollten wir uns auf diese gelungenen Momente konzentrieren und den Rest einfach auf sich beruhen lassen.

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.