Life of Pi

Manchmal dauert es etwas länger. Life of Pi kam bereits 2012 in unsere Kinos, und obwohl ich ein Fan von Regisseur Ang Lee bin, hatte ich Scheu, ihn mir anzusehen. Das hatte zwei Gründe: Der Roman von Yann Martel, der damals in aller Munde war, ist eine Parabel auf die Religion, und ich bin ganz allgemein kein Freund dieser Form von Erzählungen, weil sie oft ein wenig oberlehrerhaft daherkommen. Der zweite Grund hat mit dem Überlebenskampf auf hoher See zu tun, der zwar packend sein kann, aber, wenn er zu lange dauert, auch redundant. Irgendwann hatte ich den Film dennoch aufgenommen – wegen Ang Lee – und jetzt endlich angesehen.

Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger

Pi Patel (Suraj Sharma) wächst in den 1950er Jahren in Indien auf, wo sein Vater einen Zoo betreibt. Als die Stadt ihm die Unterstützung dafür verweigert, entscheidet sich die Familie, mitsamt ihren Tieren nach Kanada auszuwandern. Doch unterwegs geraten sie in einen Sturm, der ihr Schiff versenkt. Pi verliert seine gesamte Familie und kann sich nur zusammen mit einem Tiger auf ein Beiboot retten …

Pi wurde nicht, wie wir alle immer glaubten, nach der Zahl benannt, sondern viel prosaischer nach einem französischen Schwimmbad (Piscine); den Spitznamen Pi gibt er sich irgendwann selbst, als er den weniger schmeichelhaften Spitznamen der anderen Jungen nicht mehr hören mag. Dies und vieles andere lernen wir gleich zu Beginn über ihn und seine Familie. Auch hat der Junge von klein auf ein Faible für Religion, neigt zuerst dem Hinduismus zu, tendiert dann zum Christentum und interessiert sich schließlich auch für den Islam. Kein Wunder, dass er die Geschichte seiner Rettung zu einer religiösen Parabel umdichtet, die perfektes Seemannsgarn ist.

Die Geschichte ist schon sehr abenteuerlich, und schon als der Junge, ein Tiger namens Richard Parker, eine Hyäne, ein verletztes Zebra und ein Affe im Rettungsboot landen, weiß man als Zuschauer, dass dies nicht für alle gut ausgehen wird. So nimmt die Natur auch bald die Führung, bis nur noch Pi und der Tiger übrig sind, die sich so gut es geht aus dem Weg gehen und in halbwegs friedlicher Ko-Existenz auf dem Meer dahintreiben, der Tiger im Boot, der Junge in einem selbstgebastelten Floß.

Zusammen überstehen sie Stürme, Wasser- und Nahrungsknappheit, fliegende Fischschwärme und eine geheimnisvolle Insel, die ihre gefährlichen Seiten hat, die sich hinter ihrer Schönheit verbergen. Es ist eine gefährliche Reise, aber auch eine, die uns mit betörend schönen Bildern überrascht. Ang Lee verzaubert uns dabei ein ums andere Mal und lässt uns staunen.

Gelegentlich wird es auch richtig spannend, aber die Story hat auch – ich hatte es befürchtet – einige Längen. Und daher hat man viel Zeit, über das zu spekulieren, was uns der Autor eigentlich sagen will. Um den Zuschauer nicht allzu sehr zu strapazieren, erklärt der erwachsene Pi (Irrfan Khan) uns und dem Romanautor Yann Martel (Rafe Spall), der ihn in der Rahmenhandlung interviewt, das praktischerweise gleich selbst …

Obwohl sich meine ursprünglichen Befürchtungen hinsichtlich des Films tatsächlich bewahrheitet haben, ist Life of Pi dennoch ein visuell bezaubernder, stellenweise sogar spannender Film, den man sich ansehen sollte.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.