Ist das noch Werbung oder schon Selbstzerstörung?

Ich gehe nach wie vor wahnsinnig gerne ins Kino. Es wird mir zwar nicht immer leicht gemacht, da viele Filme, die ich sehen will, unglaublich schnell in irgendwelchen Zeitschienen verschwinden, die mit meinen Arbeitszeiten nicht kompatibel sind, aber jedes Jahr komme ich trotzdem auf etwa 30-40 Kinobesuche.

Bei meinen letzten Besuchen fiel mir aber etwas auf, dass ich unbewusst zwar schon länger registriert habe, aber irgendwie nicht greifen konnte. Aber mein vorletzter Kinobesuch war ein Augenöffner: Gefühlte 80 % der Werbung im Vorprogramm war für die Konkurrenz der Kinos. Ich bekam vier (!!!) Spots für verschiedene Videospiele und zwei Spots für Streaming-TV-Serien zu sehen. Und das I-Tüpfelchen war noch, dass nach den Kinofilm-Trailern und unmittelbar vor dem Hauptfilm nochmal Werbung für ein Videospiel kam.

Ich versuche mir gerade den Edeka-Supermarkt an der Ecke vorzustellen, der in seinen Prospekten Werbung für Aldi macht – undenkbar, oder?

Die Kinos buhlen um Zeit und Geld ihrer Kunden und stehen in direkter und immer schärfer werdender Konkurrenz zu Handy-Kosten, Videospielen, Streamingdiensten und vielem mehr. Und doch bieten sie in ihren eigenen Häusern eine Plattform für die Konkurrenz, die sie langfristig zerstören könnte.

Statt die eigenen Vorzüge zu bewerben, die kommenden Attraktionen besser in den Fokus zu rücken und das eigene Programm inklusive der Sondervorstellungen anzukündigen, wird am eigenen Stuhl gesägt…

Ich glaube übrigens, dass es durchaus noch immer Kinomacher gibt, denen nicht bewusst ist, wie kraftvoll Kinowerbung und Trailering wirken kann. Dazu ein kleines Beispiel aus meiner eigenen Kinozeit:

1992 gab es eine nicht gerade gute Tom Selleck-Komödie namens Eine ganz normal verrückte Familie, aber der Trailer war recht launig (für damalige Verhältnisse). In den USA war der Film schon gefloppt und der Deutschland-Start im September ging auch mächtig in die Hose. Ich hatte dem Verleih damals erklärt, dass ich den Film zum Start nicht einsetzen kann, aber vier Wochen später hätte ich eine Lücke in unserem kleinsten Saal und würde ihn nachspielen. Der Verleiher (Jugendfilm) war einverstanden (früher war sowas möglich), und da ich mit dem aktuellen Otto-Film eine Hit-Komödie im Programm hatte, trailerte ich Eine ganz normal verrückte Familie bei Otto – Der Liebesfilm. Der Trailer kam gut an und als ich den Film dann Wochen später einsetzte, kamen trotz des Flops in den USA und in Deutschland doch einige Besucher. Insgesamt sahen den Film in vier (!) Wochen etwa 2.000 Besucher in einem 60 Plätze-Saal – das waren 10 % (!!!) vom deutschen Ergebnis (normalerweise hatten unsere Kinos einen durchschnittlichen Anteil von 0,65 % am deutschen Ergebnis).

Ich erzähle diese Anekdote, um aufzuzeigen, dass die effektivste Werbung für das Kino und den Kinofilm immer noch im eigenen Theater stattfindet. Ist es also nicht Irrsinn, diesen effektiven Werbeplatz der größten Konkurrenz zu überlassen?

Höchste Zeit also, auf das Pyrrhus-Geld der Videospiele, TV-Sender und Streamingdienste zu verzichten oder noch besser kinofremde Werbung in Gänze einzustellen – das wäre doch mal ein Image-Gewinn für die Kinos par excellence…