Die USA sind im Umbruch. Das gilt natürlich auch für andere westliche Demokratien, aber wie immer passieren diese Dinge in Amerika früher und werden von Hollywood für uns medial aufbereitet. Themen wie Rassismus und Misogynie stehen nicht erst seit dem Amtsantritt Trumps auf der Agenda der Studios, sondern begleiten uns schon eine ganze Weile und werden auch in der nahen Zukunft nicht ausgedient haben.
Einer, der sich in seinen Filmen schon immer gerne mit gesellschaftlichen Themen auseinandergesetzt hat, war George Clooney, und ich habe mir nun endlich auf Prime Video seine letzte Regiearbeit angesehen.
Suburbicon
1959 in der idyllischen US-amerikanischen Vorstadt Suburbicon: Zwei Einbrecher fesseln Gardner (Matt Damon), seine seit einem Unfall querschnittsgelähmte Frau Rose und ihre Zwillingsschwester Margaret (beide Julianne Moore) sowie den kleinen Nicky (Noah Jupe) und betäuben sie. Bevor Nicky jedoch das Bewusstsein verliert, sieht er, wie einer der Gangster seiner Mutter eine großzügige Portion Chloroform verabreicht – an der sie dann stirbt. Bald darauf färbt Margaret ihre Haare blond, um ihrer Schwester noch ähnlicher zu sehen, und nimmt ihren Platz in der Familie ein, und auch die beiden Gangster tauchen wieder auf und fordern Geld, das Gardner ihnen schuldet. Mit der Zeit kommt Nicky ein böser Verdacht …
Wenn Trump und seine Anhänger fordern, Amerika wieder groß zu machen, beziehen sie sich dabei auf die Zeit der Fünfziger und meinen das idyllische Vorstadtleben, in dem für die Mittelklasse der amerikanische Traum in Erfüllung ging. Ein schönes Haus, ein großes Auto, eine glückliche Familie. Suburbicon ist wie ein Abziehbild dieses Traums und wird zu Beginn in den wärmsten Farben gemalt und als Modell Amerikas gepriesen. Doch all das, lehrt uns der Film, ist nur eine hübsche Fassade, hinter der sich Abgründe auftun und die so brüchig ist, dass jede Störung der genormten Ordnung zu einem Zusammenbruch führt.
Regisseur George Clooney, der zusammen mit Grant Heslov sowie Joel und Ethan Coen das Drehbuch verfasste, erzählt zwei Geschichten. Die eine handelt von Gardner und seiner Familie, deren Bilderbuchleben implodiert, weil er im Bestreben, den amerikanischen Traum zu verwirklichen und mit seiner eigenen Firma reich zu werden, Schiffbruch erlitten hat und nun der gesellschaftliche Abstieg droht. Um diesen zu verhindern und seinen Status beizubehalten, würde er alles tun. Im Verlauf der Geschichte tut er auch nahezu alles und schreckt selbst nicht vor dem schlimmsten aller Verbrechen zurück.
Das alles ist keine schlechte Idee, im Gegenteil, man hätte durchaus einen spannenden und – immerhin sind die Coens involviert – makabren Film machen können. Nur hätte Clooney dafür seine Karten nicht von Anfang an offen auf den Tisch legen dürfen. Schon beim Überfall wird klar, dass Gardner mit den Gangstern unter einer Decke steckt, weil das mehr oder weniger so gesagt wird. Auch die weiteren Verwicklungen sind an sich solide konstruiert, da gibt es neben den beiden Auftragsmördern und Geldeintreibern noch einen windigen Versicherungsagenten (Oscar Isaacs) und einen Polizisten, der ahnt, dass Gardner der Mafia Geld schuldet und der Tod seiner Frau kein verhängnisvoller Unfall war. Doch nichts wird so erzählt, dass es geheimnisvoll oder auch nur ansatzweise spannend wirkt, die polizeilichen Ermittlungen spielen beispielsweise überhaupt keine Rolle. Auch eine wirkliche Bedrohung baut sich kaum auf, weil man Gardner und Margaret nicht ausstehen kann und einem ihr Schicksal egal ist. Clooney hätte sich schon mehr auf Nicky konzentrieren und die Story konsequenter aus seinem Blick erzählen müssen, um das Beste aus ihr herauszuholen. So hat er sein gesamtes Potential verschenkt.
Auch die Schauspieler scheinen aus dem Erzählten nicht so recht schlau zu werden. Sowohl Julianne Moore als auch Matt Damon spielen roboterhaft und distanziert, was einerseits zu ihrem Charakter passt, sie aber nicht sympathischer wirken lässt. Und trotz des Einflusses der Coens weiß man die meiste Zeit nicht, ob Clooney seine Geschichte wirklich ernst meint oder man darüber lachen soll. Vermutlich letzteres, aber dafür ist es einfach nicht witzig genug.
Die zweite, viel bessere Geschichte handelt von der schwarzen Familie Mayers (Karimah Westbrook, Leith M. Burke und Tony Espinosa), die ins Nachbarhaus zieht und mit ihrer bloßen Anwesenheit den Zorn der Gemeinde auf sich zieht. Integration halten zwar alle grundsätzlich für eine gute Sache, aber nicht in ihrer Nachbarschaft. So tritt innerhalb kürzester Zeit der Rassismus ganz offen zutage, werden die Mayers drangsaliert, belästigt, gedemütigt und am Ende von einem geifernden Mob belagert, der droht, sie alle umzubringen. Das ist das andere Gesicht Amerikas, das Clooney hier in seiner fratzenhaften Form und ziemlich plakativ bloßstellt. Nach außen hin mag Suburbicon zwar wie ein Paradies wirken, aber das funktioniert nur so lange, wie die Hölle der nicht-weißen Amerikaner ausgeblendet wird.
So wirkt der Film aus dem Jahr 2017 wie ein Kommentar zu Trump, ist aber vermutlich schon lange vor seiner Wahl geschrieben worden. Aber Rassismus und die Verklärung der vermeintlich guten alten Zeit sind keine Phänomene der jüngeren Zeit. Erstaunlich ist, dass einem die Geschichte der Mayers, ihr würdevolles, stilles Leiden und ihre Angst, deutlich näher gehen als das Schicksal ihrer Nachbarn. Daher ist es schade, dass man über sie nicht mehr erfährt, dass sie nur Platzhalter bleiben in dieser Metapher.
Suburbicon ist ein misslungener Film mit unsympathischen, oberflächlichen Figuren und zwei unterschiedlichen Geschichten, von denen keine wirklich überzeugen kann. Ein solider Ansatz, ein schöner Look und auch ein paar interessante Szenen, vor allem aber eine gute Absicht – mehr hat der Film leider nicht zu bieten.
Note: 4-