Ich liebe Buchläden. Vermutlich ist dieses Geständnis keine große Überraschung angesichts meiner Profession, aber ich könnte mich stundenlang in einer guten Buchhandlung verlieren und sie halb leerkaufen. Weshalb ich mir meine Besuche dort immer gut einteile.
Aus diesem Grund hat mich Der Buchladen der Florence Green von Anfang an interessiert, aber die Bewertungen bei imdB waren nicht gerade euphorisch, und selbst eingedenk der Tatsache, dass dort vor allem junge, tendenziell actionaffine Männer abstimmen, war ich skeptisch. Doch als ich kürzlich meine Watchlist bei Prime durchgesehen habe, tauchte der Film wieder auf, und ich war in der richtigen Stimmung, ihm wenigstens eine Chance zu geben.
Der Buchladen der Florence Green
1959 entscheidet sich die seit dem Krieg verwitwete Florence Green (Emily Mortimer), einen Buchladen zu eröffnen. Sie hat bereits früher in einem gearbeitet und dort ihren Mann kennengelernt, mit dem sie vor allem die Liebe zur Literatur verbunden hat. Doch schon bald erkennt sie, dass sie in der einflussreichen und vermeintlich generösen Violet Gamart (Patricia Clarkson) eine entschiedene Gegnerin hat, denn diese möchte ausgerechnet aus dem Buchladen ein kommunales Kulturzentrum machen und scheut vor keinem Mittel zurück, ihr Ziel zu erreichen. Florences einziger Verbündete im Ort ist der belesene, sehr zurückgezogen lebende Edmund Brundish (Bill Nighy).
That’s life, lautet ein Song von Frank Sinatra, und an einer Stelle singt er von Menschen, die ihr Vergnügen daran haben, auf den Träumen anderer herumzutrampeln. Das Lied handelt davon, sich nicht unterkriegen zu lassen, sondern aufzustehen und weiterzumachen, und im Grunde genommen geht es auch darum in Der Buchladen der Florence Green. Englische Dörfer und Kleinstädte sind winzige Bühnen, auf denen sich oft die größten Dramen abspielen können, in diesem Fall die Geschichte der vollständigen Vernichtung eines menschlichen Lebens.
Angelegt als Tragödie, braucht der Film eine ganze Weile, bevor er seine dramatische Wucht entfalten kann, und auch dann schwelt es eher unter der Oberfläche wohlanständiger Bürgerlichkeit. Wer Ausbrüche von Gewalt oder Leidenschaft erwartet, kommt hier nicht auf seine Kosten, denn die Geschichte wird mit größtmöglicher Subtilität erzielt, was sie aber nicht weniger ergreifend macht. Vor allem die erste Hälfte spielt sich in einem gemächlichen Tempo ab und handelt davon, wie Florence ihren großen Traum vom eigenen Buchladen in die Tat umsetzt. Violets Forderung, in einen anderen, leerstehenden Laden umzuziehen, lehnt sie ab, weil das Haus inzwischen auch ihr Zuhause geworden ist und sie sich nicht vorstellen kann, wie weit die überaus freundliche Mrs. Gamart gehen würde. Es sind also eher pragmatische und weniger ideelle Gründe, die Florence bewegen, auch wenn ihr Widerstand bald schon ein prinzipieller wird.
Particia Clarkson spielt diese Dame der gehobenen Gesellschaft mit einem eiskalten Charme, bei dem es einem mitunter gruselt. Auch wenn sie und Florence sich kaum begegnen, niemals offen aneinandergeraten und man nur selten sieht, wie sie ihre Fäden spinnt, erkennt man doch recht bald, dass sich das Netz um Florence immer enger zusammenzieht.
Ein Schwachpunkt ist sicherlich, dass Florence zu passiv ist, sie ist eine Stoikerin, die jedes Ungemach im Leben erträgt, ohne ernsthaft dagegen aufzubegehren. Aber die Geschichte spielt auch in den späten Fünfzigern, in denen sie als alleinstehende Frau einen schweren Stand hatte und kaum etwas ausrichten konnte. Institutionalisierte Hilflosigkeit gewissermaßen. Aus heutiger Sicht ist das etwas ärgerlich, auf der anderen Seite würde ein aggressiveres Vorgehen auch nicht zum sanftmütigen Charakter der Buchhändlerin passen.
So wird sie systematisch von jedem betrogen und verraten, zu dem sie jemals nett gewesen ist. Jeder Mensch um sie herum wird gekauft, überredet oder gefügig gemacht und damit in die Verschwörung gegen Florence Green verstrickt. Ein gesamtes Dorf verliert so seine Unschuld, und dass es so beiläufig geschieht, macht es umso erschreckender.
Das Ende, das leider ebenfalls sehr vorhersehbar ist, soll hier nicht verraten werden. Der Film der Spanierin Isabel Coixet, nach dem 1978 erschienenen Roman von Penelope Fitzgerald, die ebenfalls eine Zeitlang als Buchhändlerin gearbeitet hat, ist überaus britisch, ein wenig kühl und zurückhaltend, aber umso faszinierender unter seiner Oberfläche. Wer stille Dramen und Bücher mag, sollte ihm unbedingt eine Chance geben.
Note: 3+