Die Mumie

Jahrzehntelang stand der Name Universal für blanken Horror. Natürlich nur im Film, denn von den Zwanzigern bis in die Fünfzigerjahre wurden von dem Studio eine Reihe klassischer Horrorfilme produziert, die neue Maßstäbe des Grauens auf Zelluloid gesetzt haben. Von Das Phantom der Oper (1923) bis zu Der Schrecken vom Amazonas (1954) erblickten in den Filmen berühmte Monster wie Frankenstein, Dracula oder eben die Mumie das Licht der Leinwand. Weil das damals sehr erfolgreich war und Horrorfilme sich zunehmender Beliebtheit erfreuen, dachte man sich, dass man diese Klassiker (wieder einmal) neu auflegen könnte. Den Anfang sollte Die Mumie machen. Mit Brendan Fraser hatte es zwar bereits schon einmal ein erfolgreiches Mumien-Franchise gegeben, aber das ist schon wieder ein paar Jährchen her, und was damals geklappt hat, kann ja heute nicht schiefgehen, oder?

Die Mumie

Vor fünftausend Jahren hat die ägyptische Prinzessin Ahmanet (Sofia Boutella) versucht, die Macht im Land mit dunkler Magie an sich zu reißen. Doch sie wurde überwältigt, lebendig mumifiziert und in Mesopotamien begraben. Dort findet sie der Soldat und Grabräuber Nick (Tom Cruise), nachdem er der Archäologin Jenny (Annabelle Wallis) eine Schatzkarte entwendet hat. Jenny spürt ihn auf und gemeinsam bergen sie Ahmanets Sarkophag und bringen ihn nach London, doch die Prinzessin erwacht unterwegs zum Leben – und wählt Nick aus, ihr neuer Begleiter zu werden …

Inhaltlich lehnt sich die Geschichte ein wenig an das Original von 1932 an, in dem ein Hohepriester die von ihm geliebte, verstorbene Prinzessin in einem magischen Ritual wieder zum Leben erwecken wollte und für diesen Frevel lebendig mumifiziert wurde. Ein paar tausend Jahre später wird er zufällig wiederbelebt und glaubt, seine große Liebe in ihrer Reinkarnation gefunden zu haben.

Ob Ahmanet auch in Nick die Wiedergeburt ihres früheren Gefährten sieht oder nur einen attraktiven Mann, den sie zum Gefäß des ägyptischen Totengotts machen will, wird nicht so ganz klar. Im Gegensatz zum Klassiker gibt es in der Neuverfilmung jedoch keine tragische Liebesgeschichte, die dem Monster ein etwas menschlicheres Antlitz verleihen würde. Ahmanet ist einfach nur eine machthungrige, nach Jahrtausenden der Bestrafung unglaublich wütende Frau, die nach der Weltherrschaft giert. Das macht sie nicht gerade sympathisch und ihre Darstellung etwas einseitig.

Wenn es wenigstens eine starke Frauenfigur gegeben hätte, die ihr Paroli bietet, hätte sich ein interessantes Doppelporträt angeboten – die skrupellose Aristokratin auf der einen Seite, die unerschrockene Archäologin auf der anderen, die beide um denselben Mann kämpfen. Aber auch Jenny hat ihre Schattenseiten, wie eigentlich alle Figuren in der Geschichte ist sie ein eher zweifelhafter Charakter, der es mit dem Gesetz nicht so genau nimmt. Und damit ist das größte Problem des Drehbuchs beschrieben: Es gibt keine sympathischen Figuren und keinerlei emotionale Verwicklungen. Jeder kämpft für sich, auch wenn eine gewisse Anziehungskraft zwischen Jenny und Nick behauptet wird, die später in einem völlig unglaubwürdigen Akt der Liebe und Aufopferung kulminiert. Die Chemie zwischen den Darstellern stimmt nicht, und man verliert sehr schnell das Interesse an ihnen.

Das zweite große Problem ist, dass die sechs involvierten Autoren (definitiv zu viele Köche) gleich das komplette Franchise mitgedacht und eine Geheimorganisation eingeführt haben, die von Dr. Jekyll (Russell Crowe) geleitet wird und Jagd auf Monster macht. In den Katakomben dieses Vereins erspäht man dann Hinweise auf Frankensteins Monster und Dracula, die ebenfalls noch zu neuen filmischen Ehren kommen sollten. An sich ist das keine so schlechte Idee, sie ist nur so uninspiriert umgesetzt und belanglos in Szene gesetzt, dass man schnell wieder das Interesse verliert. Wo ein Jekyll ist, darf natürlich ein Hyde nicht fehlen, dummerweise merkt man bei Crowes recht gelangweiltem Spiel kaum einen Unterschied zwischen den beiden, der eine ist vielleicht etwas höflicher und spricht leiser, aber sonst …

Im Grunde hätte es dieser Organisation nicht einmal bedurft, um die Story zu erzählen, denn Tom Cruise macht wie gewohnt alles im Alleingang und gibt hier den Indiana Jones für Arme. Es gibt eine Menge Action, ganz ordentliche Spezialeffekte und eine Schnitzeljagd durch England, die ein bisschen an die kruden Dan Brown-Verfilmungen erinnert. Immerhin ist das Ende noch ganz gut gelungen.

Alles in allem kein Film, den man gesehen haben muss, aber wenn man Lust auf einen Abenteuerfilm mit guten Schauwerten hat, kann man seinen Spaß damit haben.

Note: 4

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.