Können Filme die Welt verändern? Manche Menschen glauben, dass sie dazu in der Lage sind, und einer davon ist Alejandro Jodorowsky. Mitte der Siebziger wollte er Frank Herberts Dune verfilmen, Kultroman und Schlüsselwerk der Science-Fiction-Literatur, mit dem Ziel, das Denken der Menschen maßgeblich zu beeinflussen und eine (kulturelle) Revolution auszulösen. Seine Bilder sollten eine starke, mit LSD vergleichbare Wirkung auf das Publikum entfalten und es mit gewagten künstlerischen Visionen überraschen. Dieses Projekt gilt den wenigen, die sich näher mit ihm beschäftigt haben, als bedeutendster und einflussreichster Film, der nie gedreht wurde. Auf Arte lief kürzlich eine bemerkenswerte Doku darüber.
Wer ist Alejandro Jodorowsky? Ich muss zugeben, dass ich noch nie von ihm gehört hatte, was sicherlich daran liegt, dass ich kein Comic-Fan bin und mit dem Surrealismus nicht allzu viel anfangen kann. Faszinierend, aber immer auch ein Stück weit beliebig, ist meine Meinung. Um das Jahr 1970 herum drehte Jodorowsky zwei Kultfilme, die ihn in internationalen Kreisen bekannt gemacht haben und die zu einer Zusammenarbeit mit dem französischen Produzenten Michel Seydoux geführt haben. Gemeinsam wollten sie Dune auf die große Leinwand bringen.
Noch heute spürt man, wie begeistert die beiden von dem Projekt sind, und Jodorowsky ist ein charismatischer Mensch voller Überzeugungskraft, weshalb es ihm auch gelang, die besten Köpfe für das Projekt zu gewinnen. Das Storyboard und die Bildgestaltung stammten von Moebius, mit dem Jodorowsky später etliche Comics kreierte. Nachdem der Regisseur Dark Star – Finsterer Stern gesehen hatte, holte er Dan O’Bannon an Bord, der ihm bei der Umsetzung der anspruchsvollen Effekte helfen sollte. Dan Foss entwarf die Raumschiffe, und für das Set Design gewann er H.R. Giger, der damit das erste Mal für einen Film arbeiten sollte.
Auch die Besetzung konnte sich sehen lassen. David Carradine war für eine der Hauptrollen vorgesehen, Jodorowskys damals zwölfjähriger Sohn sollte Paul Atreides spielen und musste dafür zwei Jahre lang sechs Stunden am Tag Kampfsport trainieren (inwieweit sich dies auf die Vater-Sohn-Beziehung ausgewirkt hat, wurde leider nicht vertieft). Salvador Dalí sollte den verrückten Imperator spielen und verlangte die bizarrsten Forderungen: Er wollte nicht nur einen Hubschrauber und eine brennende Giraffe (warum eigentlich nicht?), sondern auch die höchste Gage, die je in Hollywood gezahlt worden war. Dass Seydoux und Jodorowsky ihm das alles versprachen und wie sie sich dabei aus der Affäre zogen, ist schon ein Schelmenstück für sich. Mick Jagger war ebenso mit dabei wie Orson Welles, den man mit seinen Lieblingskoch köderte. Die Musik sollte u.a. von Pink Floyd stammen …
Das Storyboard, ein Meisterwerk für sich, von dem heute vielleicht noch zwei Exemplare existieren, lässt erahnen, wie visionär dieser Film geworden wäre. Hätte Jodorowsky ihn genauso umsetzen können, hätte er zweifelsfrei einen Kultklassiker geschaffen, vergleichbar mit 2001 – Odyssee im Weltraum. Dass es nicht dazu kam, lag wie so oft an der leidigen Finanzierung. Die fehlenden fünf Millionen des Budgets sollte Hollywood aufbringen, und dort glaubte niemand an Visionen und schon gar nicht an Jodorowsky. Man kann es den Erbsenzählern nicht einmal verdenken, denn wer weiß, ob ein versponnener Träumer wie Jodorowsky es tatsächlich geschafft hätte, die äußerst schwierigen Trickeffekte kongenial umzusetzen und die vielen exzentrischen Künstler bei der Stange zu halten. Das Ganze hätte selbst mit einer kompletten Finanzierung in einem gigantischen Desaster enden können. Im besten Falle wäre Dune wohl ein Kulthit geworden, aber vermutlich eher kein Kassenschlager wie Star Wars, dazu war und ist der Stoff nicht massenkompatibel genug. Aber wir werden sehen, wie Denis Villeneuve nächstes Jahr mit dem Projekt umgeht und wie viel von Jodorowskys Werk darin steckt.
Als Filmemacher war Jodorowsky seiner Zeit um Jahre, teilweise Jahrzehnte voraus, und das Storyboard, das jedem Hollywoodstudio vorlag, scheint eine Menge zukünftige Filme inspiriert zu haben. Jodorowsky und Filmkritiker gehen am Ende der Doku auf diesen Aspekt ein und suchen nach Parallelen zwischen Dune und Filmen wie Star Wars, Alien (an dem Giger, Foss und O’Bannon direkt danach arbeiteten) oder Jäger des verlorenen Schatzes, um nur einige der bekanntesten zu nennen. Haben sie abgekupfert? Vielleicht, andererseits liegen manchmal Ideen geradezu in der Luft und werden unabhängig voneinander entwickelt, weshalb man diese Frage nicht befriedigend beantworten kann.
Filme zu drehen ist eine mühsame, oft frustrierende Angelegenheit, ein steter Kampf mit der eigenen Inspiration und gegen äußere Widerstände. Die Doku Jodorowsky’s Dune von 2013 ist eine Geschichte des Scheiterns, sie erzählt aber auch davon, wie Ideen überdauern können und ihren eigenen Weg finden. Für die Gescheiterten ist es frustrierend zu sehen, wie andere von den eigenen Visionen profitieren, und man spürt die Bitterkeit, die Jodorowsky erfüllt, aber gleichzeitig ist er immer noch begeistert von der Brillanz dieses Films, der nie gemacht wurde – und genau deshalb ein unerreichbares Meisterwerk bleibt.
Wer die Doku sehen möchte, sie ist noch bis zum 16. März in der Arte-Mediathek abrufbar. Es lohnt sich!