Die Oscars 2019

Am Wochenende werde ich wieder eine schlaflose Nacht haben. Das liegt natürlich an der diesjährigen Oscarverleihung und nicht etwa am Vollmond, und um mir die Veranstaltung – und vor allem die zahllosen Werbepausen – zu versüßen, überlege ich bereits, welche Snacks es wohl geben könnte. Irgendwie muss man ja die Zeit rumkriegen, und sei es mit leckerem Essen. Alkohol würde vielleicht auch helfen, aber dann schlafe ich garantiert schon, bevor der dritte Preis verliehen wird …

Nachdem es in den vergangenen Jahren einige Diskussionen gegeben hat, in denen die Diskriminierung von Frauen und Minderheiten bei der Berücksichtigung von Nominierungen angeprangert wurde, scheint es heuer an dieser Front etwas ruhiger geworden zu sein. Immerhin sind einige people of color unter den Nominierten, und Filme wie Black Panther, BlacKkKlansman und Green Book konkurrieren um den Oscar für den Besten Film. Darüber hinaus frage ich mich, wie politisch die Veranstaltung noch sein wird im mittlerweile dritten Jahr von Trump, erwarte da aber keine Überraschungen. Überhaupt dürfte alles so ablaufen wie immer. Kontrovers diskutiert wurde im Vorfeld zwar ein Vorschlag, vier Oscars in den Werbepausen zu verleihen, um den Ablauf zu beschleunigen, was dann aber wieder zurückgenommen wurde. Dafür wird es diesmal keinen Moderator geben, nachdem Kevin Hart sich geweigert hat, sich für lange zurückliegende homophobe Äußerungen zu entschuldigen. Man wird sehen, ob man einen Gastgeber überhaupt vermisst.

Wenn ich mir die Liste der nominierten Filme anschaue, stelle ich mit Erschrecken fest, dass ich erstens die meisten davon nicht gesehen habe, viel schlimmer noch, dass mich die meisten auch gar nicht interessieren, und zweitens, dass es mir sogar ziemlich egal ist, wer welchen Preis bekommt. In den letzten Jahren hatte es immer einen oder zwei Filme gegeben, für die mein Herz schlug oder, im Umkehrschluss, andere Filme, denen ich den Oscar keinesfalls gegönnt habe. Dieses Jahr ist allenfalls Roma mein Favorit, mithin der einzige Film, der mich (bislang) wirklich begeistert hat, der aber den großen Makel hat, bei Netflix und nicht richtig im Kino gelandet zu sein.

Wie immer geht es bei Preisverleihungen ja nicht um Qualität – wie wollte man diese auch objektiv bewerten? – sondern darum, wer die überzeugendere (oder teurere) Kampagne abgeliefert hat (und von der Konkurrenz am wenigsten schlechtgeredet wurde) oder wer nach Meinung der Mehrheit der Academy „gerade dran“ ist. So glaube ich beispielsweise an einen Oscar für Glenn Close, weil sie in ihrer langen Karriere schon häufig übergangen wurde und viele glauben, sie hätte ihn endlich verdient. Genauso kann man argumentieren, das Spike Lee an der Reihe wäre, fragt sich nur, ob für seinen Anteil am Drehbuch oder doch eher für die Regie von BlacKkKlansman? Irgendwie bleibt es – im Rahmen – also doch spannend …

All diese und noch weitere Überlegungen wirken sich natürlich auf meine Prognose aus, bei der ich mich diesmal ziemlich unsicher fühle und fast das Gefühl habe, mehr zu raten als zu prognostizieren. Aber ich wage ich mich dennoch an diese Aufgabe und lasse wie immer die Kategorien aus, von denen ich die wenigste Ahnung habe.

Beste Original Musik: Wenn unter den nominierten Filmen schon ein Musical ist, dann tippe ich natürlich auch auf Mary Poppin’s Rückkehr und Marc Shaiman.

Bester Song: Shallow aus A Star Is Born; der Song hat Ohrwurmqualität.

Bester Schnitt: Ich glaube ja, dass The Favourite, gemessen an den vielen Nominierungen, enttäuschend abschneiden und mit den Oscars für die Nebenkategorien „abgespeist“ wird. Wie dieser beispielsweise.

Beste Kostüme: Dieser Preis geht ja immer an den Historienfilm, aber davon gibt es heuer zwei, daher tippe ich aus oben genannten Gründen auf The Favourite.

Beste Ausstattung: Auch hier sage ich, es wird The Favourite.

Beste Kamera: Das wird dieses Jahr besonders schwierig, daher setze ich auf meinen Favoriten Alfonso Cuarón und Roma. Alternativ könnte man in dieser Kategorie aber auch Cold War würdigen.

Bester animierter Film: Spider-Man – A New Universe war in dieser Kategorie besonders originell, daher hat er meiner Meinung den Preis verdient.

Bester fremdsprachiger Film: Hier sind einige starke Filme nominiert, ich glaube, dass es Roma wird, weil er als Bester Film leer ausgehen wird, aber Cold War würde mich auch nicht überraschen.

Bestes Original-Drehbuch: Falls Cuarón nicht den Oscar für die Beste Kamera erhält, wäre er ein Anwärter auf den Sieg, aber so tippe ich auf die drei Autoren von Green Book.

Beste Drehbuch-Adaption: Barry Jenkins hat zwar schon einen Oscar, aber Beale Street muss ja auch berücksichtigt werden …

Beste Nebendarstellerin: Keine Ahnung. Wirklich nicht. Ich setze mal auf Amy Adams, weil sie schon so oft leer ausgegangen ist, aber Regina King wäre auch eine gute Wahl.

Bester Nebendarsteller: Auch hier kann ich mir jeden der Nominierten vorstellen. Sam Elliot könnte ihn für seine lange Karriere erhalten, Mahershala Ali und Sam Rockwell waren erst letztes Jahr dran. Also setze ich ganz gewagt auf Richard E. Grant. Immerhin hat er sich so schön über Barbra Streisands Unterstützung gefreut.

Beste Hauptdarstellerin: Glenn Close, weil – siehe oben …

Bester Hauptdarsteller: Gönnen würde ich es jedem, aber ich setze auf Rami Malek, damit Bohemian Rhapsody nicht ganz leer ausgeht. Ansonsten wird es wohl Christian Bale, weil die Academy ja gerne Schauspieler berücksichtigt, die sich körperlich für eine Rolle stark verändern.

Beste Regie: Es sollte eigentlich Cuarón werden, aber ich tippe dennoch auf Spike Lee.

Bester Film: Für mich wäre es Roma, aber ich denke, dass es Green Book wird, weil dies der perfekte Kandidat ist, auf den sich alle einigen können, ein Film, der nicht provoziert und keinem wehtut.

Mal sehen, wie oft ich in diesem Jahr danebenliege. Der Endspurt hat auf jeden Fall begonnen, und vielleicht schaffe ich es ja noch, vor Sonntag The Favourite – Intrigen und Irrsinn und Vice – Der zweite Mann anzuschauen.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Pi Jays Corner von Pi Jay. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.