Vergangenen Donnerstag startete bei uns eine der großen Oscarhoffnungen des letzten Jahres. Ich habe den Film bereits vorab Ende Dezember sehen dürfen und kann ihn nur empfehlen.
Green Book
Tony (Viggo Mortensen) ist ein Italo-Amerikaner mit großem Appetit und einem ebenso großen Mundwerk, der sich mit Schlitzohrigkeit durchs Leben schlägt. Als der Nachtclub, in dem er arbeitet, wegen Renovierung geschlossen wird, heuert er als Fahrer des klassischen afro-amerikanischen Pianisten Dr. Don Shirley (Mahershala Ali) an, der auf eine Konzerttournee durch die Südstaaten geht. Der etwas grobschlächtige Tony und sein kultivierter, aber auch blasierter Chef müssen viel Zeit miteinander verbringen, sind selten einer Meinung, werden aber dennoch langsam zu Freunden.
Unwillkürlich denkt man bei dieser Geschichte an den Klassiker Miss Daisy und ihr Chauffeur, nur dass es in diesem Fall ein Weißer ist, der einen Schwarzen fährt. Die Handlung spielt ebenfalls in den Sechziger, genauer gesagt kurz vor Weihnachten 1962, als die Bürgerrechtsbewegung noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hatte. Doch Kennedy saß bereits im Weißen Haus und war ein Freund und Förderer Shirleys, was dieser sich in einer amüsanten Szene des Films gezwungenermaßen zunutze macht.
Die beiden ungleichen Männer, die wider aller Erwartungen Freunde werden, hat es wirklich gegeben. Nick Vallelonga, Schauspieler, Regisseur und Produzent sowie der Sohn des echten Tonys, hat das Buch geschrieben (zusammen mit Brian Hayes Currie und Green Book-Regisseur Peter Farrelly) und auch produziert. Darüber hinaus hat er etliche Familienmitglieder engagiert, ihre eigenen Verwandten zu spielen …
Green Book ist ein schöner, atmosphärisch dichter, stellenweise amüsanter Film über zwei unterschiedliche Männer und den alltäglichen Rassismus der Südstaaten. Auch Tony ist zu Beginn alles andere als aufgeschlossen, so wirft er zwei Gläser in den Müll, aus denen schwarze Handwerker getrunken haben. Dass er sich im Verlauf der Geschichte wandelt, ist eine schöne Entwicklung, die sich jedoch relativ schnell und vor allem zu unkompliziert vollzieht. Da haben die Autoren eindeutig Potential verschenkt.
Man hätte sich auch gewünscht, mehr Details über das Leben beider Männer zu erfahren, herauszufinden, wer sie eigentlich sind. Es gibt ein, zwei Szenen, in denen sich zumindest Shirley erklärt, in denen deutlich wird, was ihn umtreibt, warum er diese Reise in den Süden unternimmt und was er sich davon verspricht. Ein seltener Moment, in dem man unter seine Oberfläche aus guten Manieren und moralischer Strenge blickt und den einsamen, verzweifelten Menschen erkennt, der er ist. Leider werden auch hier ein paar Chancen vertan.
Dennoch ist Green Book – benannt nach einem Reiseführer für Farbige, der alle Hotels für diese Klientel auflistet – ein emotionaler, nachdenklich stimmender Film geworden. Das liegt in erster Linie an seinen beiden herausragenden Hauptdarstellern, denen zuzuschauen stets ein Vergnügen ist.
Note: 2