Pi Jays MüFiWo 2019 Teil 4

USo schnell wie in diesem Jahr ist die Münchner Filmwoche noch nie vergangen. Wie immer endete sie mit der Tradeshow der Universal, die uns ebenfalls mit Bildern aus ihren Hits des letzten Jahres und den zukünftigen Attraktionen auf die Veranstaltung einstimmte. Das Motto lautete diesmal: Musik liegt in der Luft.

Willkommen in Marwen: Steve Carell überlebt eine brutale Prügelattacke und verliert seine Erinnerungen. Er kompensiert diesen Verlust, indem er Miniaturlandschaften entwirft und fotografiert und auf diese Weise sein Leben nachstellt. Robert Zemeckis führt Regie bei diesem berührenden und fantasievollen Drama. Zu sehen war der Trailer.

Drachenzähmen leicht gemacht 3 – Die geheime Welt: nach einem witzigen Clip, der Kit Harington bei den schwierigen Synchronarbeiten mit einem frechen Drachen zeigte, entführte uns ein längerer Ausschnitt in die neue, geheimnisvolle (Unter-)Welt der Drachen. Das sah so gut aus, dass ich gerne mehr gesehen hätte.

Happy Deathday 2U: die Fortsetzung der erfolgreichen Horror-Komödie hat eine originelle Idee, die neugierig macht. Gezeigt wurde der bekannte Trailer.

Downton Abbey: der Film nach dem Abschluss der beliebten Serie – für mich einer der must-sees in diesem Jahr. Zu sehen war – leider – nur der Teaser.

Ich war noch niemals in New York: Verfilmung des gleichnamigen Erfolgsmusicals mit der Musik von Udo Jürgens. Regisseur Philipp Stölzl, Uwe Ochsenknecht und Heike Makatsch präsentierten vier Ausschnitte, die einen guten Einblick in die Geschichte gewährten. Charmanter Retrolook, der irgendwo zwischen den Musikfilmen der 50er und dem Traumschiff der 80er angesiedelt ist. Das Publikum war begeistert.

Fighting with my Family: eine junge Britin will Wrestlerin werden; so etwas können auch nur die Briten kongenial umsetzen, man denke an Billy Eliot. Präsentiert wurde der Trailer.

Everest – Ein Yeti will hoch hinaus: Animationsfilm über einen Yeti, der einem Versuchslabor entflieht und nach Hause zurückkehren will, wobei ihm ein kleines Mädchen hilft. Gezeigt wurde ein sizzle reel.

Little: Was tut man als Assistentin, wenn sich die zickige Chefin über Nacht in einen Teenager verwandelt? Ein umgekehrtes Big im afroamerikanischen Milieu.

Yesterday (Arbeitstitel): bei einem weltweiten Stromausfall wird ein erfolgloser Straßenmusiker vom Bus angefahren und erwacht in einer Welt, in der er als einziger alle Beatles-Songs kennt. Bald ist er der größte Popstar aller Zeiten … Richard Curtis schrieb das Drehbuch, Danny Boyle inszenierte – was kann dabei schon schiefgehen? Zu sehen war ein hinreißendes Promo.

Der verlorene Sohn: bewegendes Drama über ein Paar (Russell Crowe und Nicole Kidman), das seinen schwulen Sohn zu einer Konversionstherapie schickt. Gezeigt wurde der Trailer.

Wir: Horrorfilm vom Get Out-Regisseur über eine Familie, die von ihren bösen Doppelgängern verfolgt wird.

The Hustle (Arbeitstitel): Anne Hathaway bildet die schusselige Rebel Wilson zur Trickbetrügerin aus. Das gezeigte Material lässt eine flotte Komödie erwarten.

Cats: da der Film noch gedreht wird, war nur ein sizzle reel über die Vorproduktion zu sehen. Wir sind jedenfalls neugierig wie junge Katzen.

Pets 2: gezeigt wurden gleich drei ziemlich witzige Teaser sowie ein Promo, in dem Christopher Meledandri ein paar Details über die Geschichte verriet.

Fast & Furious presents Hobbs & Shaw: Dwayne Johnson und Jason Statham bekommen ihr eigenes Spin-off, in dem sie Idris Elba jagen. Die gezeigten Ausschnitte sahen gut aus, waren rasant inszeniert und überraschend witzig. Da braucht man keinen Vin Diesel …

Und so endete die Münchner Filmwoche wie in jedem Jahr mit einer Einladung der Universal zum Essen, bei dem man noch einmal das gezeigte Material Revue passieren lassen und sich von Freunden und Bekannten verabschieden konnte.

Was ist mein Fazit? Uns wurden rund 170 neue Filme vorgestellt, und erfreulicherweise wurden weniger bereits bekannte Trailer, dafür aber eine Menge neues Material präsentiert. Darüber hinaus wurden natürlich noch weitere Produktionen angekündigt, gezählt habe ich jedoch nur solche, bei denen es auch Bildmaterial zu sehen gab. Wenn ich sie alle sehen wollen würde, müsste ich mehr als dreimal die Woche ins Kino gehen …

Die klassische Komödie ist immer noch weitgehend tot, die Leiche zuckt aber noch, und die Zuschauer honorierten immer mit Begeisterung, wenn es mal wieder was zum Lachen gab. Das ist die große Chance für den deutschen Film, dieses Vakuum zu füllen, und da warten auch einige sehr schöne Filme auf uns. Die Goldfische sieht nach einem Publikumsliebling aus, von Das perfekte Geheimnis darf man sicherlich auch viel erwarten, und dann gibt es noch die lokalen Hit-Kandidaten wie Leberkäsjunkie und Eine ganz heiße Nummer 2.0 sowie einige vielversprechende Filme wie Gut gegen Nordwind.

Darüber hinaus gibt es natürlich auch etliche Kinderfilme, die für gute Umsätze sorgen sollten. Problematisch dürfte hier allerdings sein, dass die Flut von Kinderfilmen aus dem In- und Ausland inzwischen zu einer wahren Sintflut angewachsen ist: Knapp 40 Projekte wurden vorgestellt, zu denen sich vermutlich noch ein paar weitere gesellen dürften. Man fragt sich, wo die ganzen Kinder herkommen, die sich das ansehen sollen.

Auch sonst ist der deutsche Film gut aufgestellt. Als Hitler das rosa Kaninchen stahl sieht sehr gut aus und deckt mit der Co-Produktion Resistance die Nazizeit ab, Narziss & Goldmund überrascht mit starken Bildern, und erfreulich ist auch, dass die Produzenten weiterhin mehr Genre wagen. Es gibt Thriller wie Kidnapping Stella, einen Gerichtsfilm mit Der Fall Collini und sogar ein richtiges Musical.

Überhaupt scheint der Musikfilm ein Trend in 2019 zu sein, der uns über die bekannten Franchises wie Street Dance hinaus spannende Produktionen wie Rocketman, Ich war noch niemals in New York, Cats oder Lindenberg – Mach dein Ding! beschert.

Es dürfte vermutlich schwer werden, Disney heuer die Marktführerschaft abzulaufen, das Line up ist verdammt stark und sollte den Kinobetreibern eine Menge Besucher bescheren. Aber auch die anderen Verleiher brauchen sich nicht zu verstecken, jeder hat umsatzstarke Filme im Angebot, die alles in allem sicherlich für ein Plus sorgen dürften. Die Frage ist nur, ob es nach den schlechten Jahren der Vergangenheit dauerhaft nach oben geht oder wir 2019 lediglich eine vorübergehende und geringfügige Konsolidierung erleben werden.

Obwohl einige Verleiher mit ihren letztjährigen Umsätzen ganz zufrieden waren, hat nahezu jeder die aktuelle Misere angesprochen, die diesmal so augenfällig war, dass man sie nicht mehr schönreden kann. Manche in der Branche sind der Meinung, dass 2018 eine Ausnahme war, eine unglückliche Kombination aus zu viel Sonne, einer Fußball-WM und einem schwachen Angebot, aber stimmt das? Der Sommer 2003 war noch viel heißer, 2006 und 2014 war die deutsche Mannschaft viel erfolgreicher, und dennoch waren die Besucherzahlen viel höher. Lag es also allein an den Filmen?

Man kann es nicht gänzlich ausschließen, denn gerade bei den deutschen Produktionen, von denen viele weit unter den Erwartungen liefen, gab es teilweise eine unglückliche Programmierung, die die Konkurrenzsituation unnötig verschärft hat. Und es ist seit Jahren ein Problem, dass Hollywood weniger für den europäischen Markt produziert als früher und dafür lieber Asien hofiert. Sicher, es hat letztes Jahr auch weder einen Fack Ju Göhte gegeben noch einen Bond, aber die gab es früher auch nicht im Jahrestakt, und wir hatten immerhin andere umsatzstarke Franchises wie Phantastische Tierwesen, Avengers und Star Wars. Auf dem Papier sah das nicht nach einem schlechten Angebot aus. Dennoch gehen die Besucherzahlen seit Jahren zurück. Die fetten Jahre scheinen vorbei zu sein.

Anstatt den Kopf in den Sand zu stecken und gebetsmühlenartig zu wiederholen, dass schon alles wieder gut werden wird, sollten uns lieber mit der Frage beschäftigen, wie wir die systemische Krise des Kinos überwinden können. Manche Verleiher haben immerhin einige Ansätze angesprochen, sei es die (Wieder-)Einführung eines Kinofestes, mehr Zusammenarbeit, was besonders bei der Terminierung sinnvoll wäre, oder eine stärkere Konzentration auf die Marktbeobachtung (Stichwort Big Data), um auf die Bedürfnisse der Kunden genauer reagieren zu können.

Wollen wir hoffen, dass es nicht nur bei den Reden und der Vorstellung von Ideen und Lösungsvorschlägen bleibt. Vielleicht wird es Zeit für einen runden Tisch, an dem sich alle Beteiligten zusammensetzen und austauschen – und dann auch konkret etwas beschließen. Wir Deutschen neigen ja leider dazu, aus Angst, etwas falsch zu machen, viel zu lange ein Problem zu analysieren, dann viele Lösungsansätze zu diskutieren, um uns dann nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen. Und das oftmals auch noch zu spät.

In diesem Sinne: 2019 wird ein äußerst spannendes Jahr. Wir sehen uns im Kino!

P.S.: Wie immer gab es natürlich ein Goodie Bag, das nicht unerwähnt bleiben soll und DVDs bzw. Blue Rays von Asterix im Land der Götter, Ant-Man and the Wasp, Feinde – Hostiles, Meg, Iron Sky – Wir kommen in Frieden, Jim Knopf & Lukas der Lokomotivführer sowie Jumanji – Willkommen im Dschungel, ein Playmobil-Schlüsselanhänger, eine Ausgabe der Zeitschrift Ostwind, saure Apfelringe und die Romane Friedhof der Kuscheltiere von Stephen King sowie Gut gegen Nordwind von Daniel Glattauer enthielt.

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.