Heute in einer Woche ist es wieder so weit: Dann trifft sich die deutschsprachige Kinobranche in München zur alljährlichen Filmwoche. So langsam freue ich mich wieder darauf, obwohl es auch immer mit ein bisschen Stress verbunden ist. Nach der Filmwoche wissen wir jedoch mehr, was das Kinojahr 2019 uns so alles bringen wird, vor allem die deutschen Neustarts sind dann besser einschätzbar. Und es ist darüber hinaus immer eine Freude, alte Freunde und Bekannte zu treffen.
Apropos deutscher Film: Zum Jahreswechsel habe ich einen der schönsten Filme aus heimischen Landen der letzten Jahre gesehen.
Der Junge muss an die frische Luft
Anfang der Siebzigerjahre ziehen Hans Peter (Julius Weckauf) und seine Familie vom Land, wo sie bei den Großeltern väterlicherseits gelebt haben, nach Recklinghausen zu Opa Willi (Joachim Król) und Oma Anne (Hedi Kriegeskotte).Während Vater Heinz (Sönke Möhring) zum Arbeiten oft wochenlang fort ist, dreht sich in Hans Peters Leben alles um die geliebte Mutter (Luise Heyer), die nach einer misslungenen Operation zuerst ihren Geruchs- und Geschmackssinn und dann ihren Lebensmut verliert. Ihr Sohn, der schon früh sein Talent zur Imitation und Parodie erkannt hat, gibt sich alle Mühe, sie aufzuheitern, kann aber nicht verhindern, dass sie immer stärker in die Depression abgleitet …
Bevor er Hape Kerkeling war, der uns mit seinen Späßen zum Lachen gebracht hat, war er ein pummeliger Junge namens Hans Peter mit einer lauten, schrulligen, aber glücklichen Familie. Er schildert seine Kindheit in warmen Farben, und Caroline Link und Ruth Toma, die das Drehbuch verfasst hat, setzen diese Erinnerungen in farbgesättigte, nostalgische Bilder um. Der Garten seiner frühen Kindheit erscheint daher wie ein Paradies, aus dem Hans Peter vertrieben wird, denn mit dem Umzug in die Stadt wird alles schlimmer für ihn.
Es fällt dem Jungen anfangs schwer, Freunde zu finden, er kann sich gegenüber den Größeren nicht durchsetzen und ist froh, in seinem älteren Bruder einen natürlichen Verbündeten zu haben. Zwei Weisheiten, die ihm seine Großeltern vermitteln, werden in dieser Zeit zu seinem Lebensmotto: Gib niemals auf – so wie Opa Willi, der nach dem Krieg dreihundert Kilometer nach Hause lief – und wenn du weißt, was du willst, mach es, ohne dich von der Meinung anderer abhalten zu lassen.
Mit dem Verlust der Mutter bekommt die Geschichte unweigerlich einen tragischen Anstrich, und Caroline Link gelingen hier einige ungeheuer berührende und emotionale Szenen, sie führt uns mit dem Hauptdarsteller in die Dunkelheit und danach wieder zurück ins Licht, diesmal ins Rampenlicht einer Bühne. Das ganze Leben ist vielleicht nicht ein Quiz, aber eine einzige Aufführung, und Hans Peter versteht es, sich in Szene zu setzen. Andere zum Lachen zu bringen ist seine Berufung, auch wenn er damit hadert, dass es seine Mutter nicht retten konnte.
Der Junge muss an die frische Luft ist ein schöner Film geworden, liebevoll ausgestattet, toll besetzt und großartig inszeniert. Sein Tempo ist vielleicht ein bisschen zu gemächlich, und die anekdotische Struktur lässt manche Szenen etwas beliebig wirken, aber das sind kleine Schwächen, die nicht weiter ins Gewicht fallen. Mit Julius Weckauf hat die Produktion einen Glücksgriff getan, denn die Aufgewecktheit und Spielfreude des Jungen trägt den gesamten Film, ihm zuzuschauen ist ein einziges Vergnügen.
Note: 2