Nur ein kleiner Gefallen

Ich bin kein Fan von Paul Feig. Richtig bekannt geworden ist er ja erst mit Brautalarm, einer typischen Komödie der letzten Jahre – mittlerweile wohl eher schon Jahrzehnte – die in erster Linie davon lebt, dass man sich für das Fehlverhalten ihrer neurotischen Figuren in Grund und Boden schämt. Viele dieser Filme sind schrille Parodien auf den amerikanischen Lifestyle bzw. das Freizeitverhalten verhaltensgestörter Bürger der erodierenden Mittelschicht, was vielleicht interessanter klingt als es ist. Ich kann jedenfalls nicht darüber lachen.

Abgesehen von dem noch halbwegs launigen Spy: Susan Cooper Undercover habe ich mir entsprechend auch nichts angesehen, aber mit seinem jüngsten Film hieß es, Feig würde Neuland betreten und einen Thriller inszenieren. Der Trailer sah nicht schlecht aus, also habe ich ihm noch eine Chance gegeben.

Nur ein kleiner Gefallen

Stephanie (Anna Kendrick) ist seit Jahren verwitwet und alleinerziehende Mutter eines Jungen im Grundschulalter. Als sie Emily (Blake Lively) kennenlernt, die Mutter seines besten Freundes, ist sie sofort fasziniert von der eleganten, kultivierten und geheimnisvollen Frau, die eine erklärte Aversion hat, fotografiert zu werden, flucht wie ein Kutscher und auch sonst das genau Gegenteil der prüden, gehemmten Stephanie ist. Überraschenderweise werden die beiden Freundinnen, doch eines Tages bittet Emily Stephanie, ihren Sohn von der Schule abzuholen – und verschwindet spurlos …

Dass der Trailer mich neugierig gemacht hat, lag vor allem an zwei Dingen: der fröhlich-verspielten französischen Popmusik und dem intensiven, abgründigen Spiel von Blake Lively. Auch im Film spürt man in jeder Szene, wie viel Spaß es ihr macht, die weltgewandte, ruppige Emily zu verkörpern, die kein Blatt vor den Mund nimmt und sich keinen Deut darum schert, was andere von ihr halten. Hollywood entdeckt einen neuen Typ Frau, der aufgewacht zu sein scheint und entdeckt hat, dass Zurückhaltung, Sittsamkeit und Selbstverleugnung, die Eigenschaften, die dem weiblichen Geschlecht spätestens seit den Fünfzigern abverlangt wurden, nur die Unterdrückung der Frau zementieren. Emily wirft das alles über Bord, sie trägt männliche Anzüge, die raffiniert und sexy an ihr aussehen, trinkt am helllichten Tag Cocktails und kokettiert mit ihrer Rolle als berufstätige Mutter, die nach gängiger Meinung mindestens ein schlechtes Gewissen haben sollte, indem sie sich ganz offen als Rabenmutter inszeniert. Wäre Rauchen nicht verpönt, würde sie auch eine Zigarre qualmen. Natürlich gibt sie sich auch sexuell aufgeschlossen, erzählt freimütig von einem Dreier mit ihrem Mann (Henry Golding) und seiner Assistentin (Melissa O’Neil).

Selbstbewusste Frauen hat es schon früher im Film gegeben, Frauen, die elegant, kultiviert und raffiniert waren, man nannte sie Femme fatales und sie trugen bevölkerten die Screwball Comedys und den Film Noir der Dreißiger und Vierziger. Dann schlug das Patriarchat zurück und lieferte sich ein jahrzehntelanges Duell mit dem Feminismus, bis hin zur MeToo-Debatte unserer Tage. Grob vereinfacht gesagt.

Die brave Stephanie, die selbst ein düsteres Geheimnis hütet, die in den Abgrund leidenschaftlicher Begierde geblickt und sich vor sich selbst erschrocken hat, ist von Emily sofort fasziniert. Sie will sein wie sie, ihr glamouröses Leben führen, so selbstbewusst und stark sein. Als Emily verschwindet, beginnt sie zu suchen, stöbert in der Vergangenheit ihrer Freundin und fördert dort Erschreckendes zutage. Gleichzeitig wird ihr die Chance geboten, tatsächlich das Leben ihrer Freundin auszuprobieren, und sie erliegt der Versuchung, merkt aber schnell, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.

Emily ist in gewisser Weise das, was sich brave amerikanische Hausfrauen des 21. Jahrhunderts wie Stephanie unter einer Femme fatale vorstellen – düstere, blutige Geheimnisse inklusive. Man kann eine Botschaft darin erkennen: Weibliches Selbstbewusstsein und Stärke ist eine gute Sache, zu viel Aufbegehren gegen männliche Dominanz führt jedoch zur Selbstzerstörung. So wird Emily zunächst ein Opfer ihrer selbst, bevor sie von den braven Hausfrauen Amerikas – Stephanie betreibt einen erfolgreichen Vlog und spannt ihre Zuschauer bei ihrer Detektivarbeit ein – schließlich zur Strecke gebracht wird. Am Ende landet die Bitch im Käfig, das Heimchen kehrt zurück an den Herd. Die Welt ist wieder in Ordnung.

Abgesehen von dieser doch etwas zweifelhaften Moral, die die Geschichte vermittelt, ist die Inszenierung über weite Strecken durchaus gelungen. Da Regisseur Paul Feig ja eher auf derbe Komödien spezialisiert ist, nimmt er seinen Thriller jedoch leider nicht so ganz ernst. Vor allem am Schluss entgleitet ihm die Inszenierung völlig und endet in einem Spagat aus Klamauk und Satire, der leider nicht aufgeht. Auch sonst wirkt einiges lächerlich, Stephanies Detektivspiel in albernen Verkleidungen beispielsweise.

Insgesamt ein vergnügliches Katz-und-Maus-Spiel mit einer gut aufgelegten Blake Lively, aber einem schalen Beigeschmack.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.