Januar

Wir wissen ja nicht, was das neue Jahr uns bringen wird – vermutlich nicht allzu viel Gutes. Trump und der Brexit werden uns mit Sicherheit noch einige Zeit beschäftigen, und auch sonst scheint die Welt gerade ziemlich aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. Ein Grund mehr, sich ins Kino und die Welt der Filme zu flüchten, Anlässe gibt es im Januar jedenfalls zur Genüge.

Gleich in der ersten Woche steht alles im Zeichen starker Frauen. In Die Frau des Nobelpreisträgers geht es um einen Mann (Jonathan Pryce), der den Literaturnobelpreis erhält, und ein großes Geheimnis, das mit seiner Frau (im Oscar-Gespräch: Glenn Close) zu tun hat. Nach einer Vorlage von Meg Wollitzer, einer großartigen Autorin, die ich dieses Jahr entdecken durfte.

Um Literatur geht es auch in Collette. Keira Knightley verkörpert die Titelrolle einer Autorin, die für ihren Mann einen Bestseller schreibt und darum kämpft, dafür die Anerkennung – und letztlich ihre persönliche Freiheit – zu erhalten. Nach einer wahren Geschichte aus dem Frankreich der Belle Époque.

Eine Woche später kämpft dann eine leidenschaftliche Julia Roberts um ihren drogensüchtigen Sohn in dem packenden Drama Ben Is Back.

Und noch eine starke Frau buhlt im Januar um unsere Aufmerksamkeit, genauer gesagt sind es sogar zwei: Maria Stuart, Königin von Schottland heißt der Film, der von ihrer Rivalität zu Elizabeth von England handelt. Spannendes Duell zweier Herrscherinnen.

Aber auch die Männer können politisch sein. Hugh Jackman verkörpert einen (realen) Präsidentschaftskandidaten in den USA der später 1980er Jahre. Der Spitzenkandidat handelt von einem fähigen Mann, den ein Skandal um eine außereheliche Affäre zu Fall bringt. Heutzutage wäre das vermutlich kein so großes Problem mehr …

Passend dazu die Doku Fahrenheit 11/9 von Michael Moore, die ich bereits vorab sehen durfte und die u.a. von Trump und den jüngsten Skandalen in den USA handelt – Stoff für mehr als einen Film …

Wem das alles zu deprimierend, realitätsbezogen und anstrengend ist, kann sich auf ein paar Hollywood-Genrefilme freuen: Mitte Januar kommt endlich Glass in die Kinos, die lang erwartete Fortsetzung von Unbreakable und Split.

Es stehen aber noch weitere Fortsetzungen ins Haus: Creed II ist ein weiterer Teil des endlosen Rocky-Franchises und kann hoffentlich mit seinem starken Vorgänger mithalten.

Von Chaos im Netz habe ich nur ein paar Szenen gesehen, aber die waren zum Brüllen komisch. Jetzt darf es im Januar endlich einmal lustig werden …

Mit The Favourite – Intrigen und Irrsinn kommt ein weiteres Schmankerl für einen Historienfilm-Junkie wie mich in die Kinos. Nach dem Chaos im Internet geht es diesmal um das Chaos am Hof der britischen Königin Anne.

Eigentlich war Clint Eastwood als Schauspieler ja im Ruhestand, dass er für The Mule jedoch vor die Kamera zurückgekehrt ist, lässt hoffen, dass die Geschichte vom ältesten Drogenschmuggler der Welt richtig gut geworden ist.

Mit Green Book geht der Januar mit einem weiteren Oscar-Anwärter zu Ende. Auch diesen Film habe ich bereits gesehen und fand ihn großartig, allen voran die schauspielerischen Leistungen von Viggo Mortensen und Mahershala Ali.

Das sind jetzt ein Dutzend Filme, auf die ich im Januar neugierig bin, vermutlich viel mehr als ich überhaupt anschauen kann. Es ist jedes Jahr dasselbe: Anfang des Jahres starten bei uns sämtliche Filme, die sich Hoffnungen auf einen oder mehrere Preise machen. Die Folge ist nicht nur eine Flut großartiger Filme, die sich gegenseitig das Publikum streitig machen, sondern auch noch ein Wettkampf zwischen Filmen, die dasselbe Thema beackern. Die Frau des Nobelpreisträgers und Colette starten sogar am selben Tag, Maria Stuart, Königin von Schottland und The Favourite – Intrigen und Irrsinn kurz hintereinander.

Auf diese Weise bekommt kein Film die Aufmerksamkeit, die er verdient, werden viele Produktionen zu schnell wieder aus dem Programm genommen, und wenn man dann im März oder April einen schönen Arthousefilm anschauen will, läuft garantiert nichts, was man wirklich sehen will. Es wäre wirklich schön, wenn die Verleiher sich hierzu mal ein paar Gedanken machen würden.

Damit bin ich für 2018 am Ende. Ich wünsche allen Lesern einen guten Rutsch und ein erfolgreiches, gesundes und möglichst entspanntes neues Jahr. Wir sehen uns im Kino!

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.