The Handmaid’s Tale – Der Report der Magd

Vergangenes Jahr, als die Serie gestartet ist, war sie in aller Munde. Ich wollte sie mir damals schon anschauen, bin aber nie dazu gekommen, woran nicht zuletzt auch die langweilige erste Verfilmung des Stoffes von Volker Schlöndorff von 1990 schuld war. Nach den euphorischen Kritiken war ich aber zumindest neugierig auf diese Neuinterpretation, und da in diesem Sommer bei uns bereits die zweite Staffel bei Magenta TV, dem Streamingdienst der Telekom, startete, dachte ich, es wäre eine gute Gelegenheit, der Serie eine Chance zu geben.

Darum geht’s: In nicht allzu ferner Zukunft ist das Leben auf der Erde durch Umweltverschmutzung und Überbevölkerung schwierig geworden. Immer mehr Männer und Frauen sind unfruchtbar, es werden kaum noch Babys geboren und es kommt zu gesellschaftlichen Spannungen. In den USA übernehmen christliche Fanatiker die Macht und errichten einen Gottesstaat, der mit harter Hand regiert: Das Sagen haben allein die Männer, vor allem weiße, gottesfürchtige Amerikaner, während die Frauen in ein Kastensystem gepresst werden.

Wer nicht herrscht, muss dienen. So gibt es sehr viele Soldaten, die nach außen gegen die Überreste der Vereinigten Staaten kämpfen und nach innen den Widerstand gegen das Regime niederhalten. Frauen, die die niederen Arbeiten verrichten, tragen Grau. Züchtige Ehefrauen sind an ihrer grünen Kleidung erkennbar, sie unterstützen ihre Männer, die Anführer der Rebellion und ihre Vollstrecker, aber sie sind häufig unfruchtbar. Alle Frauen, die noch in der Lage sind zu gebären, werden zu Mägden, die – nach dem Vorbild der Bibel – an die jeweiligen Männer in Machtpositionen „ausgeliehen“ werden, um ihren Nachwuchs zur Welt zu bringen. Erkennbar sind sie an ihren weißen Hauben und roten Mänteln.

June (Elizabeth Moss) ist eine dieser Mägde. Als sie mit ihrem Mann Luke (O-T Fagbenle) nach Kanada fliehen will, werden sie von Soldaten erwischt und beschossen. June landet in einem Umerziehungslager, wo sie zur Magd ausgebildet wird, bevor sie schließlich ihre Stellung im Haushalt von Fred Waterford (Joseph Fiennes) und seiner Frau Serena Joy (Yvonne Strahovski) antritt.

Fred und vor allem Serena gehören zu jenen, die die Rebellion initiiert und das Regime errichtet haben. Während Fred sich behaglich darin eingerichtet hat und die Gesetze zu seinem eigenen Wohl schon mal umgeht, nagt es insgeheim an Serena, dass sie ihren gesamten Einfluss verloren hat, was sie bitter und gemein werden lässt.

Ich will gar nicht viel über die Handlung der ersten Staffel verraten, denn es gibt einige überraschende Wendungen und Enthüllungen. Insgesamt ist es eine spannende und ungemein beklemmende Geschichte, die hier in den ersten zehn Folgen ihren Anfang nimmt. Wir lernen diese neue Welt durch June kennen und erfahren in Rückblenden, wie es zu den gesellschaftlichen Umwälzungen gekommen ist, wie Frauen immer mehr Rechte verloren haben und zuletzt wie Dinge behandelt werden.

Beklemmend ist die Story vor allem, weil sie deutliche Parallelen zu den realen Entwicklungen in den USA zieht, weshalb die Kleidung der Mägde hin und wieder auch bei Anti-Trump-Demonstrationen auftaucht, um die Misogynie des Präsidenten und seiner Regierung anzuprangern. Wenn man sich ansieht, wie in den USA – aber nicht nur dort – Freiheitsrechte beschnitten werden und Rassismus und Intoleranz zunehmen, wirken die Entwicklungen, die in den Rückblenden gezeigt werden, gespenstisch real.

Obwohl June, die ihren Namen verliert und offiziell nur nach ihrem Herren Desfred genannt wird, im Mittelpunkt der Ereignisse steht, werden auch andere Frauenschicksale gezeigt, die ebenfalls ungemein berührend und aufwühlend darstellt werden. Neben June geht es noch um ihre Freundin Moira (Samira Wiley), die sich gegen die Unterdrücker auflehnt und dafür bestraft wird, Emily (Alexis Bledel), die Junes Schicksal teilt und ihr als erste von der Widerstandsgruppe Mayday erzählt, und die labile Janine (Madeline Brewer), die an dem unmenschlichen Regime zerbricht.

Die schauspielerischen Leistungen sind allesamt sehr stark, die Bilder von unterkühlter Eleganz, und die Geschichte ist äußerst komplex, psychologisch gut durchdacht und hervorragend komponiert. Definitiv eine der besten Serien des Jahrzehnts.

In der zweiten Staffel geht zumindest zu Beginn etwas von dieser dramatischen Wucht verloren, es gibt aber noch genug Spannung und eindringliche und beklemmende Szenen, um bei der Stange zu bleiben. Die Figuren erfahren zum Teil sehr interessante, unerwartete Wendungen, und auch die Widerstandsgruppe spielt eine etwas größere Rolle. In erster Linie geht es aber um June und Frauen wie sie, die unterdrückt und misshandelt werden, aber nicht daran zerbrechen, sondern Widerstand leisten, auch wenn sich dieser nur in kleinen Zeichen äußert wie beispielsweise dem Wispern des eigenen Namens.

Zum Ende hin zieht das Tempo glücklicherweise wieder etwas an und überrascht mit einer Wendung, die sehr neugierig auf die dritte Staffel macht.

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.