Eine junge Frau springt von einer Brücke. Dieses Handyvideo von einem vermeintlichen Selbstmordversuch steht am Beginn der Serie und bringt eine Lawine ins Rollen, denn die junge Frau, die beteuert, gar nicht sterben zu wollen, wird sehr bald als Prairie Johnson (Brit Marling) identifiziert, die vor sieben Jahren spurlos verschwunden ist. Ihre Adoptiveltern (Alice Krige und Scott Wilson), die sie in all der Zeit gesucht haben, fahren sofort ins Krankenhaus, wo sie eine Überraschung erleben, denn Prairie, die sich nun OA nennt, war früher blind und kann nun wieder sehen …
Eigentlich sollte man nicht viel mehr über diese Serie wissen, um ihr eine Chance zu geben. Wer sich also überraschen lassen will, wie es weitergeht, sollte das Lesen am Ende des Absatzes abbrechen und bei Netflix reinschauen. Wir haben vor einem Jahr den Versuch unternommen, sind aber nicht über die erste Folge hinausgekommen, genau genommen haben wir nur die Hälfte des Piloten gesehen, dann ist Meister Mim ausgestiegen. Mark G. und ich fanden die Story auch nur mäßig interessant, wollten aber wenigstens die ersten ein, zwei Episoden anschauen, bevor wir uns ein endgültiges Urteil bilden. Ein Jahr später erinnerten wir uns daran – und fingen noch einmal von vorne an. Man braucht ein bisschen Geduld für diese Serie, so viel sollte man noch wissen.
Die Hauptdarstellerin Brit Marling hat die Serie entwickelt und auch an ihr mitgeschrieben. OA ist also ihr ureigenes Produkt, und man kann sich der Faszination dieser Figur nur schwer entziehen. Eine blinde junge Frau, die wieder sehen kann, die sieben Jahren lang verschwunden war und nun zurück ist, noch dazu mit seltsamen Narben auf dem Rücken, die wie außerirdische Hieroglyphen wirken. Was hat das alles zu bedeuten?
OA ist auf einer Mission, zu der sie fünf Mitstreiter benötigt, denen sie ihre abenteuerliche Lebensgeschichte erzählt. Denn Prairie ist die Tochter eines russischen Oligarchen, die als Kind nach einem Unfall klinisch tot war und wieder ins Leben zurückgekehrt ist. Nach diesem Unfall war sie blind, und seltsamer noch: Sie hatte schon immer Vorahnungen in Form von Alpträumen, die auf dieses Ereignis hinwiesen.
Ihre Vergangenheit klingt wie ein trauriges Märchen und nimmt eine dramatische Wendung, als sie dem Wissenschaftler Hap (Jason Isaacs) in die Hände fällt, der Experimente mit Menschen durchführt, die wie Prairie Nahtoderfahrungen gemacht haben. Nach ihrer Rückkehr will OA die anderen Mitglieder ihrer Versuchsgruppe befreien, wozu sie die Hilfe ihrer neuen Freunde braucht.
So weit die grobe Geschichte, die tief in die esoterische Trickkiste greift, von Nahtoderfahrungen und Reisen in andere Dimensionen berichtet und von magischen Fähigkeiten, die die Probanden dabei erwerben. Auch das hat märchenhafte Züge und wird in teils betörenden Bildern, aber auch einem gemächlichen Tempo erzählt. Man erfährt genau, wie Prairie Hap begegnet, wie der Alltag ihrer Gefangenschaft aussieht und welche Beziehungen sie zu den anderen Mitgliedern ihrer Gruppe aufbaut. Darüber hinaus geht es auch um die fünf Leute, mit denen sie sich in der Gegenwart anfreundet und inwieweit sie deren Leben und Schicksal beeinflusst. Manche dieser Geschichten sind spannender als andere, wirklich in die Tiefe gehen sie leider nicht, da sich die Erzählung weitgehend auf OA konzentriert.
Nach einigen Längen in der Mitte zieht die Spannung gegen Ende der Staffel deutlich an, und man wird zu guter Letzt mit einem starken Finale belohnt, das noch einmal eine Menge Fragen aufwirft. Nach zweijähriger Pause hat Netflix nun endlich angekündigt, dass es bald weitergehen soll, zuerst mit einer zweiten Staffel, dann mit drei weiteren, so dass es insgesamt fünf sein werden – eine Zahl, die eine große Bedeutung in der Serie hat – bevor am Ende, so viel Ironie hat der Streamingdienst, den Zuschauern so etwas wie Erleuchtung in Aussicht gestellt wird. Na, da bleiben wir doch am Ball …