Oculus

Ich habe schon lange keinen Horrorfilm mehr gesehen. Was in letzter Zeit im Kino lief, hat nicht meinen Geschmack getroffen, und bei den Streamingdiensten findet man ja leider nur wenige gute, dafür aber sehr viele qualitativ schwächere Streifen, deren schlechte IMDb-Werte allein einen schon vom Anschauen abhalten. Immerhin ist jetzt The Nun gestartet, auf den ich schon sehr gespannt bin.

Passend dazu gibt es an dieser Stelle bereits einen Programmhinweis in eigener Sache: Am 1. November um 22 Uhr wird der von mir mitgeschriebene Mystery-Thriller Jenseits des Spiegels im NDR zu sehen sein. Wer interessiert ist, kann sich den Termin ja schon mal im Kalender eintragen, ich komme aber zeitnah noch einmal darauf zurück.

Heute geht es aber um einen anderen Gruselfilm, den ich bereits vor einiger Zeit gesehen habe.

Oculus

Tim (Brenton Thwaites) wird als geheilt aus der Psychiatrie entlassen. Zehn Jahre war er eingesperrt, nachdem er seinen Vater (Rory Cochrane) in Notwehr erschossen hatte – eine Tat, an die er sich nicht mehr so richtig erinnern kann. Seine Schwester Kaylie (Karen Gillan) ist der Überzeugung, dass nicht er dafür verantwortlich ist, sondern eine übernatürliche Macht, die in einem antiken Spiegel wohnt und ihren Vater verrückt werden ließ, weshalb er seine Frau (Katee Sackhoff) ermordete. Sie besorgt sich den Spiegel und will zusammen mit Tim beweisen, dass ihre Theorie wahr ist …

In Annabelle war es eine Puppe, die von einem Geist besessen war, hier ist es ein Spiegel, in dem eine dämonische Macht wohnt, von der man nie so recht erfährt, was sie nun eigentlich ist. Diese Ungewissheit reizt natürlich die Fantasie und treibt den Horror auf die Spitze. Es ist ein gut gewähltes Sujet, das Regisseur Mike Flanagan, der auch am Buch mitwirkte, hier in Szene gesetzt hat, denn Spiegel konfrontieren uns auch mit uns selbst – in diesem Fall mit unseren Ängsten und inneren Dämonen.

Zugegeben, die Umsetzung ist ziemlich konventionell. Man könnte die Uhr nach den Wendepunkten stellen, und auch die Figuren werden eher oberflächlich gezeichnet. Gerade das Abdriften in den Wahnsinn – Shining lässt grüßen – hätte mehr die persönlichen Ängste zutage fördern können. Und immer wenn es um das Spiel mit Illusionen und Wahnvorstellungen geht, wirkt die Handlung stellenweise sehr beliebig.

Aber die Geschichte ist solide umgesetzt und erfüllt ihren Zweck: Man gruselt sich ordentlich – sogar auf zwei Ebenen, denn neben dem Versuch, dem Bösen auf die Spur zu kommen, entfaltet sich die Vergangenheit in einer Parallelerzählung, die häufig meisterhaft mit der Gegenwart verknüpft wird.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.