Altered Carbon

Heute geht es mal wieder um eine Serie. Ich habe in den vergangenen Wochen einige gesehen und denke, ich sollte mal wieder ein Update veröffentlichen. Letzte Woche habe ich Altered Carbon: Das Unsterblichkeitsprogramm angeschaut, eine Prestige-Produktion von Netflix, und passend dazu erschien vor ein paar Tagen ein Artikel auf Spiegel Online über Firmen im Silicon Valley, die versuchen, das Altern aufzuhalten, womöglich sogar den Tod abzuschaffen.

In ferner Zukunft ist es, dank geheimnisvoller Alien-Technologie, möglich, das menschliche Bewusstsein mitsamt allen Erinnerungen auf einem an der Schädelbasis platzierten Mikrochip – genannt Stack – zu speichern. So werden Menschen praktisch unsterblich, denn ihr Bewusstsein kann in künstliche oder lebendige Körper heruntergeladen werden, man kann die Körper tauschen, sich klonen lassen und vieles mehr – sofern man reich ist.

Takeshi Kovacs ist ein ehemaliger Elitesoldat und verurteilter Terrorist, dessen Bewusstsein zweihundertfünfzig Jahre lang auf Eis lag, um eine Strafe zu verbüßen. Jetzt wird er zurückgeholt und in den Körper des Polizisten Ryker (Joel Kinnaman) gesteckt, der ebenfalls gerade aus dem Verkehr gezogen wurde, weshalb sein Körper gemietet werden kann. Der Auftraggeber, der Kovacs zurückgeholt hat, ist Laurens Bancroft (James Purefoy), einer der reichsten Männer der Erde, der kürzlich eines gewaltsamen Todes gestorben ist, bei dem auch sein Stack zerstört wurde. Zum Glück gab es ein Backup, doch dieses enthält nicht die letzten 48 Stunden seines Lebens, weshalb Kovacs nun herausfinden soll, wie Bancroft ums Leben gekommen ist. Er beginnt zu ermitteln und verbündet sich dabei ausgerechnet mit der Ex-Partnerin und Geliebten von Ryker, der darüber hinaus auch jede Menge Feinde in der Unterwelt hatte, die immer noch hinter ihm her sind …

Die Serie basiert auf einem Roman von Richard Morgen aus dem Jahr 2002, dem ersten Teil einer Trilogie, und ähnlich wie George R.R. Martin hat es auch Morgen geschafft, eine komplexe, faszinierende Welt zu erschaffen. Vieles an dieser Zukunft erscheint uns vertraut, vor allem die Regel, dass die Armen immer arm bleiben, während die Reichen … inzwischen gottgleiche Macht haben. Sie sind unsterblich, so reich, dass sie sich über dem Gesetz wähnen, und bisweilen von ihrem Leben ganz schön gelangweilt. Das führt zu Exzessen wie privaten Gladiatorenkämpfen auf Leben und Tod, bei denen die Verlierer selbstverständlich zurück ins Leben geholt werden. Man ist ja kein Unmensch …

Die Autoren unter der Leitung der Showrunnerin Laeta Kalogridis breiten vor dem staunenden Zuschauer ein ganzes Universum mit neuen Technologien, Regeln und einer eigenen Geschichte aus. Leider wird etwas zu wenig erklärt, man bekommt zwar einen guten Eindruck davon, wie alles funktioniert und vieles kommt einem auch aus anderen Filmen bekannt vor, aber alles wird eben nur einmal ausgeführt. Danach sollte man sich besser an die vielen Abkürzungen, Anekdoten und vor allem die unzähligen, teilweise exotischen Namen erinnern.

Bingewatching ist in diesem Fall ratsam, es lohnt sich aber auch, denn die Story, deren Kern ich hier nur sehr grob skizziert habe, ist stellenweise ziemlich spannend und abgründig. Es ist ein klassischer Krimiplot mit zahlreichen, überraschenden Wendungen, der sich von Folge zu Folge weiter verästelt, und erinnert bisweilen an die Literatur der Vierzigerjahre. Der lakonische, latent gewalttätige Ermittler könnte glatt aus der Feder von Raymond Chandler stammen. Weitere Einflüsse sind unverkennbar Blade Runner sowie William Gibson.

Man muss also höllisch aufpassen, um nicht den Faden zu verlieren, aber das Anschauen lohnt sich, und eine zweite Staffel ist ebenfalls geplant. Allerdings mit einem neuen Hauptdarsteller und einer eigenen, in sich abgeschlossenen Geschichte, denn Kovacs bekommt dann wohl einen neuen Körper.

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.