Bei mir stellt sich schon seit einiger Zeit eine gewisse Superheldenmüdigkeit ein. Deshalb bin ich immer dankbar für Figuren wie Deadpool, der vor zwei Jahren unsere Kinos eroberte und erfrischend anders war. Jetzt ist er zurück.
Deadpool 2
Wade Wilson alias Deadpool (Ryan Reynolds) legt sich mit den übelsten Schurken weltweit an und bringt sie im Alleingang zur Strecke. Doch eines Tages nimmt einer von ihnen Rache, indem er Wades Freundin Vanessa (Morena Baccarin) tötet. Deadpool ist verzweifelt und will sich sogar umbringen, was jedoch aufgrund seiner Superheldenkräfte unmöglich ist. Trost findet er bei den X-Men, die ihn unter ihre Fittiche nehmen, aber dort ist kein Platz für jemanden wie ihn, der eine vorlaute Klappe hat und auf alle Regeln pfeift. Erst als er einen Teenager mit übermenschlichen Kräften (Julian Dennison) vor einem geheimnisvollen Rächer aus der Zukunft (Josh Brolin) schützt, lernt er allmählich, was Verantwortung bedeutet.
Superheldenfilme gibt es inzwischen wie Sand am Meer, so dass es nur schwer möglich ist, den Überblick zu behalten, geschweige denn sich an all ihre Geschichten zu erinnern. Gut, dass es hin und wieder darunter einige Charaktere gibt, die einzigartig sind. Deadpool ist einer davon, weil er vorlaut, respektlos und überheblich ist und dabei ziemlich witzig. So waren es seine lockeren Sprüche und einige originelle Drehbucheinfälle, die den ersten Teil über den Durchschnitt des Genres erhoben haben.
Das Problem eines zweiten Teils ist es, dieses Niveau zu halten und in punkto Originalität noch zu toppen, was fast immer misslingt. Insgesamt haben Regisseur David Leitch und seine Autoren Rhett Reese, Paul Wernick und Ryan Reynolds jedoch ganz ordentlich Arbeit geleistet und eine launige Fortsetzung abgeliefert, die in vielem dem ersten Teil in nichts nachsteht.
Es gibt wieder eine Menge frecher Sprüche, absurd-witzige Splatter-Szenen und schräge Charaktere sowie mehr Anspielungen auf die Popkultur als man auf die Schnelle erkennen kann. Aber leider wird das Erfolgskonzept des Originals an vielen Stellen auch zu sehr auf die Spitze getrieben. Deadpools Sprüche sind zwar meistens amüsant, aber sie gefallen den Autoren leider auch so sehr, dass der Mann überhaupt nicht mehr aufhört zu quatschen und den Audiokommentar zum Geschehen quasi gleich mitliefert. Und in jedem zweiten Satz wird auf irgendeinen Film angespielt, was mit der Zeit ziemlich nervt, zumal die Darsteller gelegentlich sogar noch erklären, worauf sie gerade anspielen. So funktioniert Deadpool 2 auch ein bisschen als Lehrstunde in Sachen Filmmaking.
Der Film will gleichzeitig aber auch seine eigene Parodie sein, was zur Folge hat, dass man alles, was passiert, nicht wirklich ernst nehmen kann. Darüber hinaus durchbricht Reynolds mehrfach die vierte Wand und wendet sich direkt an den Zuschauer, so dass der Film in jeder Sekunde als Produkt der Unterhaltungsindustrie rezipiert wird. Als Zuschauer weiß man natürlich, dass alles Illusion ist, aber man lässt sich gerne darauf ein und erlebt für die Dauer des Films die Geschichte als wahrhaftig, man leidet mit den Helden mit, freut sich mit ihnen, erlebt alles aus ihrer Perspektive. Diese Illusion ist in Deadpool 2 leider nie gegeben, der Vertrag mit dem Zuschauer kommt nicht zustande, weshalb sich auch keinerlei Emotion aufbaut – der Film lässt einen völlig kalt.
Reynolds und seine Co-Autoren wissen das natürlich und setzen diese Distanz bewusst ein, wenn beispielsweise nach Vanessas Tod der Vorspann gespickt ist mit Kommentaren, in denen sie die Reaktionen des Publikums spiegeln. Das ist recht clever und ein netter Gag, der sich jedoch schon nach wenigen Minuten abnutzt. Spätestens wenn Wade um seine Freundin trauert, nimmt man ihm das keine Sekunde lang ab, und je länger das dauert, desto mehr langweilt es. Als Zuschauer verliert man jedes Interesse an Wade und seinem Schicksal, interessant sind nur die aberwitzigen Wendungen, die skurrilen Szenen und frechen Sprüche. Bemerkenswerterweise gelingt es allein Josh Brolin, beim Zuschauer Emotionen zu wecken, gerade weil er diese Mätzchen nicht mitmacht.
Wirklich gelungen ist eigentlich nur der mittlere Teil, in dem der Held von allen emotionalen Bindungen befreit auf die Kacke hauen darf und der Film seinen schrägen Humor entfalten kann. Hier gibt es eine Fülle von Gags, beispielsweise die Rekrutierung weiterer Superhelden, ihr desaströser Einsatz und die aberwitzige Verfolgungsjagd, die allein wegen Domino (Zazie Beetz) sehenswert ist. Überraschend ist, wie schlecht manche CGI-Effekte geworden sind, als hätten die Produzenten nicht genügend Zeit (oder Geld) dafür veranschlagt, und auch das Drehbuch strotzt nicht gerade vor originellen Einfällen, sondern bedient sich ungeniert bei anderen Filmen und macht es sich auch sonst recht einfach. Aber sie geben das auch offen zu und machen aus daraus einen Gag. Kann man mutig finden und zeugt von gesundem Selbstbewusstsein, kann aber spätestens beim dritten Teil nach hinten losgehen.
Note: 3